Follower - Die Geschichte einer Stalkerin
Patricia zugesagt hatte.
Der Tag schien kein Ende zu nehmen. Daniela hatte den Sitz zurückgeschraubt und lag mehr in ihrem Auto, als sie saß. Ein paar Mal war sie ausgestiegen und ein wenig auf und ab gegangen. Das Auto hatte sie umgeparkt, sobald eine Parklücke mit besserer Aussicht frei wurde. Sie hoffte, dass es nicht auffiel, dass sie sich den ganzen Tag hier herumtrieb. Langsam verlor sie die Geduld. Sie hoffte, dass Kiran jetzt endlich Feierabend machte. Und dass keine Fans ihn aufhielten.
Das Licht kippte bereits, als die ersten Mitarbeiter des Studios zu ihren Autos strömten. Daniela kamen sie wie heilige Boten der Erlösung vor. Gleich, gleich würde das Warten enden. Sie richtete sich auf und stellte den Sitz in seine ursprüngliche Position.
Und sie hatte Glück. Kiran ging über den Parkplatz zu seinem Auto und stieg ein. Fünf Minuten später fuhr er vor Daniela die Straße entlang und sie hielt sich in angemessenem Abstand hinter ihm. Er fuhr zu seiner Wohnung. Natürlich. Daniela blieb an ihm dran, aber als er kurz vor dem Ziel von der Hauptstraße in eine Seitenstraße abbog, fuhr sie weiter geradeaus. Sie umrundete den Häuserblock und näherte sich seiner Adresse von der anderen Seite. Als sie eintraf, stand sein Auto schon eingeparkt vor der Tür.
Daniela schob Wache, bis die Lichter in der Wohnung ausgingen und hängte noch eine halbe Stunde dran. Dann gab sie auf.
Sie weinte ein bisschen auf der Fahrt zu ihrem neuen Domizil. Aber als sie die Tür aufschloss und das Häuschen betrat, bekam sie sich wieder in den Griff. Ein kleiner Rückschlag war das, mehr nicht. Eine enttäuschte Erwartung, die man wegsteckte. Manche Angler warteten auch tagelang, bis der richtige Fisch anbiss. Das war völlig normal. Eine Enttäuschung nahm man hin, aber man verzweifelte deshalb nicht.
Daniela bereitete sich noch einen kleinen Mitternachtshappen, dann ging sie zu Bett. Ins BIH-Forum schaute sie nicht mehr hinein. Erst, wenn ihr Plan geglückt war, würde sie sich die Kommentare wieder ansehen. Sie wollte sich absolut souverän fühlen. Kiran an ihrer Seite wissen, der sie bis dahin mochte, weil sie ihm geholfen hatte. Bestimmt gewöhnte er sich schnell an sie, wenn sie ihn gut behandelte.
Wenn er am nächsten Tag nach Hause fuhr, konnte sie sich vielleicht wieder mit ihm verabreden. Sicher dankte er ihr gerne für ihre Hilfe. Sie schlief ein, mit diesem tröstlichen Gedanken, der sie in ihre Träume begleitete.
7
Daniela saß müde hinter dem Steuer und beobachtete Kirans Wohnung. Heute fiel es ihr schwerer als am Vortag. Zu wenig Schlaf und die ganze Aufregung … an diesem Morgen hatte sie auf ein allzu großes Styling verzichtet, aber das Make-up eingepackt.
Kiran verließ pünktlich seine Wohnung und ging mit flotten Schritten zu seinem Wagen. Er wirkte wach und motiviert, im Gegensatz zu ihr selbst. Aber jetzt musste sie durchhalten.
Als Kiran losfuhr, hängte sie sich unauffällig an ihn dran. Erstaunt stellte sie fest, dass sich die Routine schon eingeschlichen hatte. Es fühlte sich normal an, Kiran aufzulauern und dann zu verfolgen. Den Mann, den sie noch vor einer Woche aus der Ferne angehimmelt hatte wie ein übernatürliches, phantastisches Geschöpf, dessen Existenz fragwürdig war. Und jetzt fuhr sie ganz selbstverständlich hinter ihm her, kannte seine Wohnung. Entzaubert? Nein, das war nicht das richtige Wort. Die Situation stellte sich nun anders dar, aber ihre Liebe zu ihm war fast noch größer geworden. Wenn das überhaupt möglich war. Der Durstende spürt die Qual umso mehr, wenn das kühle, frische Wasser direkt vor ihm steht, ohne dass er es erreichen kann.
Ja, sie quälte sich, aber sie wusste auch, dass sie das Leiden beenden konnte. Die Sehnsucht stillen, die in ihr leere Stellen erzeugte. Und sie trug die Kraft in sich, dieses Ziel zu erreichen.
Daniela harrte den ganzen Tag vor dem Studioparkplatz aus und dachte nach. Sie musste ihren Aufenthalt womöglich verlängern. Wenn Kiran heute wieder schlafen ging, anstatt die Wohnung zu verlassen, sollte sie ihre Arbeitsstelle anrufen.
Gegen Nachmittag klingelte ihr Handy. Ihre Mutter. Daniela entschied, den Anruf anzunehmen.
„Hast du meine Nachrichten bekommen?“, fragte ihre Mutter ohne Begrüßung.
„Ja. Aber ich hab sie nicht gelesen.“
„Komm nach Hause, Daniela. Hör auf mit dem Unsinn und komm heim.“
„Nein.“
„Du verrennst dich. Wie lange willst du denn noch so einem
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