Follower - Die Geschichte einer Stalkerin
halbseidenen Schauspieler nachlaufen wie ein verliebter Teenager? Das tut keine erwachsene Frau.“
„Du hast doch nicht die geringste Ahnung, was ich hier tue“, sagte Daniela.
„Du musst wieder zur Arbeit. Was sollen die denn von dir denken, wenn du so lange wegbleibst. Wenn das rauskommt, was du da gemacht hast …“
„Keine Sorge“, unterbrach Daniela sie. „Ich kündige im Altenheim.“
„Was?“
„Ich kündige. Wenn ich zurückkomme, bewerbe ich mich als Aushilfe im Kino oder ich gehe kellnern“, sagte Daniela ruhig.
„Das tust du nicht!“ Daniela hörte ihre Mutter schwer atmen.
„Doch, verlass dich drauf“, sagte Daniela. Dann drückte sie das Gespräch weg. Sie stopfte das Handy in ihre Tasche, das nach ein paar Sekunden zu klingeln anfing. Dann stieg sie aus dem Wagen und lief eine Weile auf und ab, bis das Klingeln aufhörte. Sie holte sich in dem Cafe gegenüber ein belegtes Brötchen, dann ging sie zu ihrem Auto zurück. Während sie aß, kramte sie das Handy wieder hervor. Fünf unbeantwortete Anrufe. Daniela stellte das Telefon auf lautlos und biss wieder herzhaft in ihr Brötchen. Es tat gut, so unabhängig zu sein. Und kündigen – das war wirklich eine gute Idee. Es gab reichlich andere Jobs und jetzt, wo sie hier saß, in der coolsten Stadt der Welt, da merkte sie erst, wie dumm sie gehandelt hatte. Warum nahm sie so viel Rücksicht? Sie konnte jeden Job annehmen, den sie annehmen wollte. Sie konnte nach Berlin ziehen, wenn sie wollte. Alles kein Problem. Die Welt stand ihr offen. Und sie konnte Kiran haben, wenn sie wirklich wollte. Sie fühlte sich nicht mehr wie ein hilfloser Fan, der seine Verzweiflung in Foren niederschrieb. Daniela hatte sich entwickelt, sie handelte, sie riskierte etwas. Und deshalb konnte sie auch gewinnen. Keiner dieser Forenteenager besaß ihr Format. Und Kiran würde das spüren. Sie sah nicht mehr nur zu ihm auf, obwohl sie ihn noch zärtlich liebte, aber bald befand er sich hilflos in ihren Händen. Sie trug dann die Verantwortung für ihn und die würde sie wahrnehmen. Vom Follower zum Catcher. Sie kicherte und verschluckte sich fast an einem Bissen. Oh, ja. Ihre Mutter ahnte nicht, was Daniela hier tat.
Patricia stopfte die benutzten Pinsel in ihren Waschbeutel. Bevor sie sich mit Kiran traf, wollte sie alles noch auswaschen und zum Trocknen auf Handtüchern ausbreiten. Das tat sie jeden Abend, obwohl ihr Pinselvorrat für drei Drehtage reichte.
„Bleibt’s bei heute um acht?“
Patricia drehte sich um. Kiran stand in der Tür, die Jacke über dem Arm.
„Klar“, sagte sie.
„Nur, wenn’s dir nicht zuviel ist.“
„Ist es nicht. Bin froh, wenn ich mal rauskomme.“
„Okay.“ Er stand noch ein paar Sekunden im Türrahmen, dann hob er kurz die Hand und verschwand im Flur.
Patricia raffte die letzten Sachen zusammen und sprühte Glasreiniger auf ihren Arbeitsplatz. Mit Papiertüchern wischte sie die Fläche sauber. Sie dachte darüber nach, was sie heute anziehen sollte, wenn sie Kiran traf. Es handelte sich nicht um ein Date. Sie würden nur reden. Oder war das ein Vorwand und er plante doch, sie privat zu treffen? Eher nicht. Kiran war Single, was sie zwar wunderte, aber viele attraktive Schauspieler blieben allein, um eben weiter als attraktive Schauspieler zu gelten. Manche machten auch mit ihrer Freundin Schluss, wenn sie erst mal im Geschäft waren. Zu viele Versuchungen, zu viele Fans, zu viele Frauen.
Und vielleicht bekam sogar der eine oder andere Druck von seiner Agentur, solange sie ihn noch gut vermarkten konnte. Darüber redete natürlich niemand. Warum lebte Kiran allein? Wegen der Karriere, keine Zeit oder wollte er sich alle Türen offen halten? Sie mochte ihn, als Kollegen am Set, aber kannte sie ihn?
Patricia warf die Tücher in den Mülleimer und schulterte ihren Rucksack. Sie musste sich beeilen, wenn sie vor dem Treffen noch etwas essen und sich frisch machen wollte.
Das grüne Auto verließ den Parkplatz. Daniela war bereit. Es beflügelte sie, dass sie entschieden hatte, ab jetzt allein über ihr Leben zu bestimmen. Ohne Rücksicht auf ihre Mutter, die Nachbarn oder Dingdongs in Fan-Foren. Wie frei sie war, ohne diesen ganzen Druck, die Einschränkungen. Hier in Berlin war sie frei. Niemand registrierte und verurteilte, was sie tat. Niemand kannte sie, niemand tratschte. Anonyme Freiheit.
Daniela folgte Kiran. Ihre Hände lagen ruhig auf dem Steuer. Im Studio war sie fast in Ohnmacht gefallen bei
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