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Follower - Die Geschichte einer Stalkerin

Follower - Die Geschichte einer Stalkerin

Titel: Follower - Die Geschichte einer Stalkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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Steuer nach vorne, um zu sehen, in welchem Stockwerk das Licht anging. Kaum zwei Minuten später flammte die Deckenbeleuchtung im ersten Stock auf. Kiran befand sich jetzt in seiner Wohnung.
    Daniela suchte sich eine Parklücke, die einen Schnellstart ermöglichte, falls Kiran wieder herauskam. Ein sicheres Zeichen konnte es sein, wenn das Licht in der Wohnung erlosch. Dann ging er vielleicht noch mal aus und sie hoffte, dass er nicht zu Fuß unterwegs sein würde. Das erschwerte die Verfolgung. Oder wenn er die S-Bahn nahm! Wenn er ausging und Alkohol trank, dann musste er die S-Bahn nehmen, ganz klar!
    Oh Gott, dachte Daniela. Diesen Fall hatte sie nicht bedacht. Sie überlegte fieberhaft. Ganz spontan blieb ihr nur die Verfolgung als Fußgänger mit ausreichendem Abstand. Aber dann … sie konnte ihn ja nicht durch die Stadt tragen, wenn ihm von den Tropfen schlecht wurde. Im absoluten Notfall würde sie ein Taxi rufen müssen. Kein Ideallösung, aber besser als nichts.
    Wieder beugte sie sich nach vorne und schaute nach den erleuchteten Fenstern.
    Dann lehnte sie sich zurück und begann zu warten.
     
    Gegen dreiundzwanzig Uhr erlosch das Licht in Kiran Advanis Wohnung und Daniela richtete sich alarmiert auf. Sie nahm den Anschnallgurt und machte sich fahrbereit. Jede Sekunde konnte er aus der Tür kommen. Sie wartete und nach guten zehn Minuten kamen ihr die ersten Zweifel. Er konnte zu Bett gegangen sein, weil er morgen drehen musste. Sie stöhnte leise auf vor Enttäuschung und nahm sich vor, noch einmal zwanzig Minuten zu warten.
    Sie wartete sogar noch etwas länger, aber die Wohnung lag weiter im Dunkeln. Für heute musste sie aufgeben. Daniela überlegte, ob es sinnvoll wäre, ihn am nächsten Morgen zur Arbeit zu verfolgen. Unter Umständen schon. Damit stellte sie sicher, dass er auch wirklich ins Studio fuhr. Sie drehte den Zündschlüssel herum und setzte dann langsam aus der Parklücke. Sie würde heute Abend noch all ihre Sachen aus dem Hostelzimmer in die Ferienwohnung schaffen und an der Tankstelle etwas für ihr Frühstück einkaufen. Und dann musste sie schnell ins Bett, denn morgen früh war ihr Posten wieder genau hier. Vor seiner  Wohnung.
     

 
    6
     
    Um fünf Uhr dreißig am nächsten Morgen, parkte ein nicht mehr neuer Fiat vor einer Wohnung in Berlin Schöneberg, während Kiran Advani noch in tiefem Schlaf in seinem Bett lag. Er hatte eine unruhige Nacht verbracht und als der Wecker gegen sechs schellte, fuhr er erschrocken hoch. Er stoppte das nervige Weckgeräusch und schwang die Beine aus dem Bett, dann blieb er ein paar Sekunden sitzen, den Kopf in die Hände gestützt.
    Der Anruf, den er gestern erhalten hatte, stellte sein Leben auf den Kopf. Vielleicht. Es lag jetzt an ihm und an seiner Entscheidung. Und die war schwer zu fällen. Kiran wünschte sich, heute drehfrei zu haben, aber daran war natürlich nicht zu denken. Dabei brauchte er Zeit zum Grübeln. Seine Eltern in Indien würde er erst anrufen, wenn die Sache entschieden und dingfest war, keine Sekunde früher. Er kannte sie. Die beiden regten sich sonst nur unnötig auf.
    Kiran stand auf und ging Richtung Badezimmer. Er brauchte eine heiße Dusche, um wach zu werden. Dann einen Kaffee, um noch wacher zu werden. Mehr war nicht nötig. So früh am Morgen bekam er kein Essen runter.
    Kurz nach halb sieben trabte er die Treppen des Mietshauses hinunter, ging zügig durch den etwas schmuddeligen Hausgang und stieß die schwere Haupttür auf, die krachend hinter ihm ins Schloss fiel. Sein Wagen parkte fast genau vor der Tür und heute war er dankbar für den kurzen Weg zum Auto. Er wollte endlich fahren, Musik hören und nachdenken. Kiran ließ sich hinter das Steuer sinken, schnallte sich an und griff nach dem Zündschlüssel. Automatisierte Bewegungen, die keine Konzentration erforderten. Genauso wie der Weg zum Studio, den er fast im Schlaf hätte fahren können, der hundertfach bekannt war. Kiran fuhr die kleine Kopfsteinpflasterstraße entlang und bog dann vor dem Bahnhof Schöneberg nach links ab auf die Hauptstraße. Er reihte sich in den Verkehr ein und entschied sich dann doch gegen Musik. Er durfte gedanklich nicht abdriften. Es war besser, im Kopf eine Pro- und Kontraliste zu erstellen. Das Ergebnis kannte er leider jetzt schon. Beinahe ausgewogen, rational gesehen, mit einer Tendenz zu Option zwei. Abenteuer versus Sicherheit. Risiko und Jackpott gegen sicheren Tipp mit Garantiegewinn. Schwierig, fast unlösbar. Er

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