Follower - Die Geschichte einer Stalkerin
Realitätsverlust. Und was war er für sie? Eine abstrakte Serienfigur? Ein Mensch? Ein Wunschbild? Er war nicht psychologisch geschult, aber sein Instinkt sagte ihm, dass dieses Gefühlschaos in ihr krankhaft war. Kiran überlegte, ob es besser war, Verständnis zu zeigen oder sie schroff abzuweisen. Er wusste es nicht. Vielleicht war es geschickter, erst einmal mehr zu erfahren.
„Was wäre so schlimm daran, wenn Alex mit Krissi zusammenkommt?“, fragte er sie und Daniela sah ihn überrascht an, als hätte sie nicht mit seinem Interesse gerechnet.
„Weil du dann mit ihr im echten Leben auch ein Paar wirst. Vielleicht“, antwortete sie und schniefte.
„Und das darf ich nicht? Darf ich keine Frau lieben, keine Freundin haben?“, fragte er.
„Hast du eine?“, fragte Daniela alarmiert. Sie wurde bleich und er sah ihre Hände zittern. Langsam glaubte Kiran, zu begreifen.
„Ich habe keine Freundin“, sagte er und sah, wie ihr ein paar Tränen über das Gesicht liefen. Aber gleichzeitig sah sie erleichtert aus. Erlöst.
„Du willst nicht, dass ich eine Frau habe, nicht wahr?“, sagte er. Daniela schüttelte langsam den Kopf.
„Bist du mal mit Verena Gint ausgegangen?“, fragte sie.
„Ja“, antwortete er und beobachtete ihre Reaktion. Ihr Gesicht verzog sich wieder qualvoll.
„Und … was war dann?“, fragte sie.
„Nichts. Was soll da gewesen sein?“
„Hast du sie geküsst oder so?“
„Verena ist ne ziemlich starke Raucherin. Es fällt mir schon schwer, sie am Set zu küssen“, sagte er.
„Wirklich?“ Sie rief es beinahe. Ihre Stimme klang laut und freudig, als hätte sie gerade erfahren, dass sie im Lotto gewonnen hatte. Sie kam etwas näher und setzte sich auf die Bettkante.
„Du … du hast doch bestimmt Durst“, sagte sie sanft, als ob er ihr gerade eine Liebeserklärung gemacht hätte.
„Ja, aber ich will kein Getränk von dir. Ich kann dir nicht trauen“, sagte er. Eine Zurückweisung. Sie verfehlte ihre Wirkung nicht.
„Warum sagst du das immer wieder“, beklagte sie sich.
„Weil ich bisher mit dir keine andere Erfahrung gemacht habe. Du hast mir noch kein Getränk ohne Drogen serviert. Denk mal drüber nach“, sagte er.
Daniela schwieg.
„Tut mir leid“, flüsterte sie. „Kannst du mir verzeihen? Bitte.“
„Was nutzt mir das, wenn ich dir nicht vertrauen kann?“, sagte er.
„Ich bringe dir eine originalversiegelte Glasflasche. Daraus kannst du trinken“, schlug sie vor. Kiran überlegte ein paar Sekunden, dann entschied er, ihr einen kleinen Vorschuss einzuräumen.
„Gut. Dann bring es mir“, sagte er und Daniela sprang auf bei seinen Worten. Sie lief hinaus und kam nur Sekunden später mit dem Wasser zurück. Sie reichte ihm die Flasche. Kiran setzte sich im Bett auf und nahm sie an. Er schraubte sie auf und der Verschluss knackte beim Öffnen. Jetzt spürte er seinen Durst deutlich und trank erst einmal, ohne auf seine Entführerin zu achten. Dann setzte er die Flasche mit einem Seufzen ab. Daniela beobachtete ihn mit einem zärtlich-fürsorglichen Ausdruck im Gesicht. Kiran überlegte, ob er das Mädchen bewusstlos schlagen konnte. Es widerstrebte ihm, eine Frau zu schlagen, aber wahrscheinlich konnte er sie mit einem gezielten Hieb auf die Schläfe ausschalten. Nur, wenn er dann nicht an die Schlüssel kam … wenn sie die Schlüssel woanders aufbewahrte …
Sie würde wieder aufwachen, denn es kam für ihn nicht in Frage, einen Menschen zu töten. Dazu war er nicht fähig. Und sie? War sie dazu fähig? Selbst wenn sie ihn nicht aktiv umbrachte, es reichte, wenn sie ihn hier zurückließ. Er würde verhungern, wenn man ihn nicht rechtzeitig fand.
Bevor er sie angriff, musste er erst herausfinden, wo sie die verdammten Schlüssel hatte. Er nahm sich vor, sie auszuschalten, sobald sie mit den Schlüsseln in der Hand in seine Reichweite kam. Das war bisher sogar sein bester Plan. Besser, als sie zu beeinflussen, ihn ganz frei zu lassen. Bis dahin musste er sich friedlich geben. Verbindlich. Und erschöpft, damit sie vergaß, dass er als Mann ihr körperlich überlegen war.
Ihr etwas vorzumachen, stellte kein Problem für ihn dar. Er war Schauspieler.
Kiran sank in die Kissen zurück und atmete einmal tief. Er entspannte alle Muskeln und sah, wie das Mädchen auf die Demonstration seiner Schwäche reagierte. Sie beugte sich vor und sah sorgenvoll auf ihn herab. Kiran rechnete damit, dass sie ihn irgendwann berühren würde. Er würde sie dann
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