Follower - Die Geschichte einer Stalkerin
den sie vermisst hatte.
„Du denkst es, ich spreche es aus“, sagte Kiran. „Wir waren beide bescheuert. Wie kann man nur so dumm sein? Ich hab mir gestern schon vorgenommen, wenn ich dich noch einmal zu fassen kriege, lass ich dich nicht mehr weg.“
„Dasselbe hab ich mir auch vorgenommen. Auch gestern“, sagte sie.
„Was für ein Zufall.“ Er küsste sie wieder und Patricia ließ sich diesmal ganz in seinen Arm sinken. In diesem Moment musste sie nicht cool sein. Nur glücklich.
„Wir verpassen das Flugzeug“, flüsterte sie, als Kiran kurz von ihr abließ.
„Tja, jetzt haben wir einen langen Flug vor uns und am Ende wartet ein gemütliches kleines Apartment“, sagte er und küsste ihren Hals.
„Oh“, sagte Patricia geziert. „Ich hab mal in einem Beziehungsratgeber gelesen, dass eine Frau nicht sofort mit einem Mann aufs Zimmer gehen sollte, aus verschiedenen Gründen.“
„Tatsächlich?“ Kiran grinste und zog sie fest an sich heran. „Wer schreibt denn so was? Ich verlange, dass dieser männerfeindliche Ratgeber sofort ins Altpapier gegeben wird.“
Er ließ sie los und griff nach ihrer Tasche.
„Hey, die kann ich selber“, protestierte Patricia und packte schnell ihr restliches Gepäck.
„Ich weiß, Curly. Du kannst immer alles selber. Das liebe ich an dir. Aber du musst nicht alles selber, das ist der kleine Unterschied“, sagte er und Patricia merkte, dass ihr kein Gegenargument einfiel. Sie beschloss, es zu genießen, dass er ihre Tasche trug. Das war sie nicht gewöhnt, aber sie hatte so eine Ahnung, dass sie sich an Manches würde gewöhnen müssen. Vielleicht auch an den Gedanken, Deutschland für lange Zeit zu verlassen.
20
„Du bist bestimmt Patricia. Komm rein“, sagte Martina und machte die Tür ein Stück weiter auf. Patricia trug ihr stark gelocktes Haar mit einem Kopftuch aus der Stirn gebunden und sie sah aus, als könnte sie kräftig mit anpacken. Bodenständig. Das gefiel Martina auf Anhieb.
„Ich bin so froh, dass Sie deutsch sprechen“, sagte Patricia. „Ich kann nämlich noch kein spanisch.“
„Das kommt von ganz allein, mein Engelchen. Ich zeige dir jetzt erst mal dein Zimmer. Du brauchst bestimmt einen Moment für dich nach der langen Reise. Deinen Koffer kann Robert gleich raufbringen. Der sieht schwer aus.“
„Ist er auch“, sagte sie. „Ich danke Ihnen.“
„Nenn mich Martina. Ich duze mich mit allen meinen Praktikanten. Angeblich geht dabei die Disziplin flöten, aber nicht bei mir. Oh nein, nicht bei mir.“
Martina ging die steile Treppe hinauf und lief dann den Gang entlang, der durch den ersten Stock des Hauses führte. Die Holzdielen knarrten, als Martina anhielt und die blankpolierte Holztür aufschloss.
„Dieses Zimmer ist deins. Du musst es mit niemandem teilen. In der Nebensaison ist hier sowieso alles frei. Wenn es richtig losgeht und wir vollgebucht sind, dann schauen wir noch mal neu.“
Schritte näherten sich den beiden Frauen und Martina drehte sich um.
„Oh, Robert, schön. Stell den Koffer hier ab, danke. Das ist Patricia, sie macht ab jetzt ein Praktikum bei uns. Gästehaus und Stallbereich. Das ist Robert, er ist Reitlehrer und betreut die Feriengäste und die Schulpferde“, stellte Martina den jungen Mann vor.
„Hi, Patricia“, sagte Robert und streckte der jungen Frau die Hand hin. Sie ergriff sie und lächelte ihn an.
„So, und jetzt lassen wir die Dame mal allein. In einer Stunde werden wir unten zu Abend essen.“
Sie schloss die Tür und ihre Schritte entfernten sich.
Daniela sah sich in ihrem Zimmer um. Sie hatte es gut getroffen. Es war mehr als unwahrscheinlich, dass sie hier jemand aufspürte. Sie konnte mit Pferden nichts anfangen, aber dieser Reiterhof in Einzellage hatte das einzig akzeptable Angebot für sie. Zu wählerisch konnte sie nicht sein. Sie hatte sich außerhalb Deutschlands auf mehrere Angebote gemeldet, die unbürokratisch und ohne zu viele Bewerbungsunterlagen Leute suchten. Martinas Reiterhof in Spanien war weit genug weg und Martina hatte sie aufgrund ihrer Email für drei Probewochen mit Aussicht auf Verlängerung bestellt. Martina verlangte Einsatz, aber keinen lückenlosen Lebenslauf.
Daniela ging in das winzige Bad, das an ihr Zimmer grenzte und drehte das Wasser auf. Sie wusch sich das Gesicht und sah dann in den Spiegel. Diese Haarfarbe, die Dauerwelle und das Kopftuch ließen sie Patricia sehr ähneln. Und sie hatte ihren Vornamen angenommen. Sie besaß
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