FOOD CRASH
privatwirtschaftliche Forschung international bedeutend sind. Aber auch im nationalen Kontext hat die schonende Nutzung der natürlichen Ressourcen und die Verminderung der Abhängigkeit von nicht erneuerbaren Ressourcen (fossile Energieträger, Pflanzennährstoffe wie Phosphor und Kalium) höchste Priorität, da beide Faktoren die Wirtschaftlichkeit der landwirtschaftlichen Erzeugung in den nächsten Jahrzehnten massiv negativ beeinflussen werden.
Exakt dies ist der Ansatz des Ökolandbaus. Er ist produktiv und hinterlässt dabei einen deutlich kleineren ökologischen Fußabdruck. Und er hat bereits heute eine stark verringerte Abhängigkeit von in Zukunft knappen Ressourcen. Schließlich integriert er auch ethische Anliegen wie das Tierwohl und den Naturschutz, erhöht die Wertschöpfung in ländlichen Regionen und baut stark auf bäuerlichem Wissen und Beobachtungsfähigkeit auf. Argumente, welche ganz für eine starke Forschung im Kontext des Ökolandbaus und seiner vor- und nachgelagerten Bereiche sprechen.
3. Schlussfolgerungen: Ökolandbau als Keimzelle für alternative Ernährungskonzepte
Oberflächliche Kritiken an der Ertragsfähigkeit des Ökolandbaus werden diesem nicht gerecht. Sie zeigen ein eingeschränktes Verständnis der Ernährungswirtschaft und gründen auf kurzfristigen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen. Der Ökolandbau hat ein großes Potenzial, auf ökologisch und sozial nachhaltige Weise mehr Lebensmittel zu erzeugen. Dieses muss durch Forschung – wie in diesem Beitrag beschrieben – ausgeschöpft werden.
Aus Gründen des Umweltschutzes und der artgerechten Tierhaltung werden auf Ökobetrieben durchschnittlich weniger Tiere gehalten. Bei Wiederkäuern wie dem Rind und dem Schaf verlangen die Richtlinien einen hohen Anteil an Rauhfutter in der Fütterung. Rechnet man die ökologische Erzeugung auf die menschliche Ernährungsweise um, resultiert daraus eine Ernährungskultur, welche auf deutlich weniger tierische Lebensmittel ausgerichtet ist. Dies entschärft die globalen Herausforderungen entscheidend.
»Please eat less meat. Meat is a very carbon intensive commodity«
sagte kürzlich der Nobelpreisträger Rajendra Pachauri. Das westliche Ernährungsmodell hat nicht nur wegen dem ökologischen Desaster, welches es verursacht (Klimagas-Belastung, Umweltbelastung, Verarmung der Artenvielfalt, Bodenerosion, Landnutzungsänderungen durch Abholzen von Wäldern und Trockenlegen von Mooren), keine Zukunft, sondern auch wegen seiner Auswirkungen auf die Gesundheitskosten.
Die Flächenproduktivität der Veredlung von Getreide zu Fleisch und Milch beträgt durchschnittlich nur 15 % im Vergleich zum direkten Verzehr von Getreide. Die Flächenproduktivität von Energiepflanzen beträgt für die menschliche Ernährung null. Die weltweiten Zahlen von ökologischen Fruchtfolgen zeigen eine Produktivität, welche sich nicht wesentlich von konventionellen Fruchtfolgen unterscheidet. Diese Tatsachen sollten in Zukunft stärker in die agrar- und forschungspolitischen Diskussionen einfließen. Die Diskussion um die Ertragsschwäche des Ökolandbaus ist hingegen ein Ablenkungsmanöver.
Die Probleme der modernen Ernährung gehen jedoch noch tiefer. Im Verlaufe der Geschichte haben die Menschen ungefähr 7000 Pflanzenarten kultiviert. Davon sind heute noch 120 für die Landwirtschaft wichtig, aber nur 30 Arten liefern weltweit 95 % aller unserer Lebensmittel. Durch Züchtungstätigkeit wurden 4000 Sorten oder Typen von Kartoffeln und 100 000 Varietäten von Reis geschaffen. Doch die industrialisierte Landwirtschaft, die Verarbeitungsindustrie und der Handel haben diese genetische Vielfalt drastisch reduziert. Dieser Verlust an Vielfalt auf den Äckern wurde kompensiert durch immer raffiniertere Verarbeitungsschritte, welche eine falsche Vielfalt an Farben, Formen und Geschmäckern kreieren. Dass der Verlust an genetischer Vielfalt auf den Äckern und bei den Tieren auch etwas mit Fehlernährung und Übergewicht zu tun haben könnte, ist eine nicht von der Hand zu weisende Hypothese. Entwicklungen in den ökologischen Ernährungswissenschaften hin zu mehr Vielfalt, naturbelassener Verarbeitungsweise, Frische, regionalen Lebensmittelketten und authentischer Geschmacksvielfalt ist deshalb ein Vorbote einer allgemeinen Entwicklung, welche demnächst die ganze Lebensmittelwirtschaft herausfordern wird.
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Über Felix zu Löwenstein
Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Agrarwissenschaftler und
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