Fool on the Hill
Wölkchen ihres Atems flössen zu einem künstlichen Bodennebel zusammen.
Rasferret sprach kein Wort; statt dessen hob er, die grellblau glühenden Augen (die Farbe der Flamme, wo sie am heißesten ist) weit aufgerissen, die mißgestalteten Arme empor wie ein Priester, der seine Gemeinde zum Aufstehen auffordert. Und sie standen auf oder versuchten es zumindest. Während Rückgrate in der gewaltsamen Metamorphose knirschten, rang jede einzelne Ratte darum, sich aufrecht auf die Hinterfüße zu stellen. Manchen gelang es; andere hatten weniger Glück und kamen halb hoch, bloß um irreparabel verkrüppelt zusammenzubrechen. Die meisten von ihnen starben bald darauf.
Die Verwandlung war vollendet. Von den rund fünfzig Ratten, die zusammengekommen waren, überlebten vielleicht zwanzig die Metamorphose und wurden ratten, zweifüßige Krieger in Rasferrets neuer Armee. Sie waren schon bewaffnet, denn die Gegenstände, die sie mitgebracht hatten, waren ebenfalls umgewandelt worden: Metallstückchen waren zu rudimentären Schwertern geworden, Draht und Knochen hatten sich zu Armbrüsten zusammengefügt.
Der Engerling inspizierte seine Soldaten. Zwanzig waren nicht eben viel, doch mehr würden kommen, je mehr seine Macht zunahm. Selbst die Zauberkraft, die er bereits jetzt besaß, hätte für beträchtlich mehr Verwandlungen ausgereicht, doch er hielt mit seiner Energie haus, sparte sie für ein besonderes Projekt auf, das einige Nächte später über die Bühne gehen sollte. Die Vorfreude auf seine erste Mordtat nach über hundert Jahren zauberte ein obszönes Grinsen auf Rasferrets Antlitz.
Wie er so grinste, trat einer seiner Soldaten aus dem Glied vor. Es war eine sehr große Ratte, die größte der zwanzig Überlebenden, und sie trug eine Armbrust und eine lange Klinge. Sie hinkte, doch Rasferret erkannte, daß dies von einer früheren Verletzung herrührte und nicht von einer unvollkommenen Metamorphose. Neugierig blickte Rasferret der Ratte in die Augen und sah die Wut und Zerstörungslust, die in ihnen glühten. Es folgte eine kurze Zwiesprache zwischen den beiden, bei der wieder kein einziges Wort fiel.
Endlich nickte der Engerling zustimmend, wofür sich die Ratte mit einer unbeholfenen Verbeugung bedankte. Und so kam es, daß Zer die Ratte, Spinnwebs Mörder, General in der Armee des Gezüchts wurde, ihr oberster Befehlshaber und einzig Rasferret unterstellt.
Die Stunde des Tötens
I
Ziehen wir also die Uhr auf für eine Stunde des Tötens. Lassen wir sie unmittelbar vor dem Jahreswechsel beginnen, um 23 Uhr 15, am 31. Dezember, mit dem Knacken eines Zweiges. Lassen wir sie 58 Minuten später enden, um o Uhr 13, mit einem Geräusch wie von Fingernägeln, die an einem Sargdeckel kratzen. Und bereiten wir sie folgendermaßen vor:
Am Morgen nach Weihnachten sah Prediger in den Badezimmerspiegel und stellte fest, daß seine Kopfverletzung fast verheilt war. Um die Mittagszeit desselben Tages erhielt Jinsei einen Anruf von ihrer Chefin in der Uris-Bibliothek, wo sie seit Oktober arbeitete. Die Bibliothek reorganisierte über die Winterferien ihr Leihscheinablagesystem, und die wenigen studentischen Hilfskräfte, die in Ithaca blieben, wurden dringend benötigt. Die Straßen waren mittlerweile so weit geräumt worden, daß die Fahrt auf den Hügel keine größere Odyssee mehr darstellte, und nach einem kurzen Gespräch erklärte sich Jinsei bereit, noch am Nachmittag zu kommen. Tatsächlich arbeitete sie diese Woche bis zum (und einschließlich des) 31. fast jeden Nachmittag in der Bibliothek, oft bis spät in die Nacht.
In der Nacht auf den 27. verlegte Rasferret sein Hauptquartier vom Knochenacker auf den Gipfel des Hügels. Auf dem Rücken des Boten flog er unbemerkt empor zur Glockenstube der McGraw Hall, des mittleren von den drei grauen Kästen, die die ersten Gebäude auf dem Campus gewesen waren. Vor einem Jahrhundert hatte der Turm Jenny McGraws berühmtes Glockenspiel beherbergt, doch nun gab es hier nichts als Staub - Staub und Rasferret den Engerling. Seine Ratten folgten ihm zu Fuß durch den Schnee, und gemeinsam richteten sie in Sichtweite des Glockenturms, wo Hobart von Alpträumen geplagt wurde, eine Operationsbasis ein.
Der 28. und der 29., zwei so gut wie ereignislose Tage, vergingen mit Beobachten und Warten, aber am 30. passierten gleich mehrere wichtige Dinge. Prediger setzte sich mit Fujiko in Verbindung, die im Tolkien-Haus herrlich fleischliche Ferien verbrachte, und
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