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Fool on the Hill

Fool on the Hill

Titel: Fool on the Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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sondern auf den absonderlichen, knochenbleichen Vogel, der sich darauf niedergelassen hatte. »Himmelherrgott«, sagte Prediger, als Jinsei sich neben ihn hinkniete und ein Taschentuch auf seine Wunde drückte. Der Vogel war das widernatürlichst aussehende Geschöpf, das ihm je untergekommen war: er sah aus wie eine auf unerklärliche Weise zum Leben erweckte Kristallplastik.
    Der Bote wippte ein wenig, bis er auf der schrägen Oberfläche der Kiste sein Gleichgewicht gefunden hatte. Argwöhnisch musterte er Mann und Frau; er beobachtete sie seit dem Augenblick,; da sie den Knochenacker betreten hatten. Er hatte Prediger gestattet, die Kiste aus dem Grab zu holen und die Versiegelung aufzubrechen, doch jetzt, da dies getan war, würde der Bote ihn- oder auch sie beide - gegebenenfalls töten, um den Inhalt der Kiste zu schützen.
    »Verschwinden wir!« zischte Jinsei. Prediger nickte, nahm sie bei der Hand, und zusammen entfernten sie sich: erst rückwärts, dann, sobald ihnen der Vorsprung groß genug erschien, mit einer plötzlichen Kehrtwendung, Hals über Kopf. Der Bote machte keinerlei Anstalten, ihnen zu folgen, ließ sie aber auch nicht aus den Augen; er beobachtete ihren Rückzug mit der größten Aufmerksamkeit.
    In der Büchse der Pandora verborgen, beobachtete sie auch eine andere Kreatur.
     
    Botschaften und ein Parlament des Gezüchts
     
    I
     
    »Schön«, sagte Mr. Sunshine, über seinen Schreibtisch gebeugt. »Schön. George hat seine Prinzessin, die Prinzessin hat ihren George, und die Büchse ist auf. Was kommt als nächstes...« Er blätterte seine Notizen durch. »Der Hund! Genau, der Hund!«
    Er wühlte in der Schreibtischschublade nach einem Blatt Briefpapier (kein gewöhnliches Briefpapier natürlich!) und kritzelte rasch eine Botschaft hin. Dann faltete er den Zettel zweimal und begab sich an den Affen vorbei in eine dämmerige Ecke, wo ein Rohrpostrohr offenmäulig wartete. Das Rohr trug das Symbol $ und die Aufschrift: ausschliesslich für briefverkehr mit der unterwelt.
    »Nicht mehr ganz so wie früher«, seufzte Mr. Sunshine schwermütig, als seine Botschaft ihren Ungewissen Abstieg durch das dunkle Rohr antrat. »Aber nun - es erfüllt seinen Zweck. So, und jetzt...«
     
    II
     
    Am Abend dieses 24. Dezember rief Mrs. Smith aus Madison an, um mitzuteilen, daß sie, so schrecklich leid es ihr auch tue, Weihnachten nicht im Schoß der Familie feiern zu können, mindestens noch einen Tag dableiben müsse, und bestellte herzliche Grüße an Aurora. Eine einmalige Gelegenheit witternd, zündeten Walter und George ein gemütliches Feuer im Kamin an und verabredeten, Aurora in »die zweifelhafte Kunst, sich anzuknallen« (Löwenherzens Terminus), einzuführen; nach anfänglichem kurzem Zögern entpuppte sie sich als mustergültiger Lehrling. Bald waren die drei soweit, daß sie unausgesetzt wie fröhliche Idioten kicherten, sich gegenseitig umarmten und am laufenden Band die größten Absurditäten vom Stapel ließen. Sogar Luther schaffte es, an der allgemeinen Heiterkeit teilzuhaben. Selbst am Joint ziehen konnte er natürlich nicht, doch er wich nicht von Walters Seite (er hielt ihn inzwischen für einen Erzengel und hing daher^ sehr an ihm), der den Rauch zuvorkommenderweise immer in seine Richtung blies.
    Luther hatte zu guter Letzt doch ein stilles Glück gefunden: mehr Futter, als er je auf einem Haufen gesehen hatte, Wärme, eine trockene Unterkunft und liebevolle Herren. Das mußte nun wirklich endlich der Himmel sein. Zwar hatte er keine anderen Hunde hier angetroffen, und auch während der Fahrt im feurigen Wagen hatte er keine gesehen; so stark aber war das Gefühl der Erleichterung, daß er, zumindest einstweilen, keine Fragen stellte. Er hatte sogar aufgehört, sich wegen Blackjack Sorgen zu machen, wenngleich er wußte, daß er bald eine Möglichkeit finden mußte, ihm eine Botschaft zukommen zu lassen.
    Jetzt, da sein zottiger Kopf vom Rauch so merkwürdig kribbelte, spürte Luther, wie sich die göttliche Macht des Himmels mehr und mehr um ihn verdichtete. Das ganze Zimmer wurde strahlend hell; Luthers Augen richteten sich wie magisch angezogen auf den Platz direkt vor dem Kamin, wo sich völlig beiläufig ein alternder Mischling aus dem Nichts materialisierte. Es war ein Hund, den er sehr gut kannte, ein Hund, der ihn als Welpen beschützt und mit Liebe umgeben hatte. Ein Hund, um dessentwillen er sich auf die Suche nach dem Himmel gemacht hatte.
    »Moses!« schrie Luther,

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