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Fool on the Hill

Fool on the Hill

Titel: Fool on the Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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einigte sich mit ihr darauf, daß er anderntags, sobald Jinsei mit ihrer Arbeit fertig wäre, mit ihr auf einen kleinen Silvesterumtrunk vorbeikommen würde. Auch die Kobolde bereiteten sich auf eine Silvesterfeier vor. Es sollte ein Miniaturgalaabend mit Schlittschuhlaufen auf dem gefrorenen Beebe Lake stattfinden. Einer von Rasferrets Ratten gelang es, heimlich eine Gruppe von Kobolden zu belauschen, die sich über Silvester unterhielten, und auch wenn die Kreatur nicht allzuviel vom Gespräch verstand, begriff sie doch das Wesentliche: daß die Mehrheit des Kleinen Volkes weit weg vom Zentrum des Campus sein und mit Sicherheit nichts von etwaigen Vorkommnissen bemerken würde. Endlich hatte Rasferret ein festes Datum für den Beginn seiner Aktionen; er verbrachte den Großteil dieser Nacht damit, letzte Pläne zu schmieden. Knapp fünfunddreißig Kilometer weiter, in einem Chalet am Ufer des kalten Cayuga, gab Ragnarök prophetische Worte von sich. Einen einzigen Satz, aus tiefem Schlaf heraus gesprochen: »Mein Gott, ihre Augen glühen.« Myoko und Löwenherz, die eng umschlungen in ihrem Zimmer lagen, hörten es nicht, und hätten sie es gehört, so hätten sie nichts damit anfangen können.
    Der 31. Dezember dämmerte trostlos und kalt herauf; wieder lag Schnee in der Luft. Jinsei und Prediger schliefen noch ein letztesmal miteinander, bevor sie sich auf den Weg zur Arbeit machte. Nach der Liebe waren sie beide glücklich und arglos.
    Die Nacht brach allzufrüh herein.
     
    II
     
    Kurz nach elf in der Neujahrsnacht stieg Prediger mit schweren Schritten die Treppe zur Uris-Bibliothek hinauf; er hatte ein Geschenk für seine Dame dabei. Es schneite leicht, gerade genug, um den Boden wie mit Puderzucker zu bestäuben und die beleuchteten Zifferblätter der Turmuhr hinter einem flimmernden Dunstschleier verschwimmen zu lassen. Er trat an die abgeschlossene Glastür und klopfte energisch mit einer weißbehandschuhten Faust. Nach einem Augenblick erschien Jinsei, die eine in Papier eingewickelte langstielige Rose in der Armbeuge trug.
    Sie hantierte mit einem ungeheuren Schlüsselbund und schaffte es schließlich, die Tür zu öffnen.
    »Na«, sagte Prediger und steckte seinen Kopf in die Wärme des Eingangs, um sie zu küssen. »Wo ist dein Mantel?«
    »Tja...«, entgegnete Jinsei und erwiderte seinen Kuß. »Mrs. Woolf möchte, daß ich noch eine Stunde hierbleibe.«
    »Wirklich?« sagte er, nicht weiter beeindruckt. »Heute ist Silvester, Jin. Fujiko, ihr Macker und Mitternacht warten mit vereinten Kräften auf uns. Kannst du nicht ein andermal eine Stunde extra arbeiten?«
    »Klar könnte ich, aber... na ja...« Sie hob eine Hand, Daumen und Zeigefinger einen knappen Zentimeter auseinander. »Es fehlt nur noch so ein bißchen, und wir sind mit dem Buchstaben R durch.«
    »Oh«, sagte Prediger, und sie fingen beide an zu lachen. Er deutete auf die eingepackte Blume. »Was ist das?«
    Sie gab sie ihm mit einem Achselzucken. »Hab ich auf dem Weg hierher für dich mitgenommen. Ist mittlerweile wohl welk.«
    »Hmm.« Er beugte sich vor und küßte sie wieder. Diesmal ließ er sie nicht so rasch wieder los. »Ich hab dir auch was mitgebracht.«
    »Ja?« Sie fuhr mit einem Finger über sein Kinn. »Was denn?«
    Er zog sich grinsend zurück. Der Wind wehte in den offenen Türspalt und durch ihr dunkles Haar.
    »Weißt du was?« sagte Prediger. »Ich geb’s dir, sobald wir im Tolkien-Haus sind.«
    »Das ist gemein.« Jinsei versuchte vergeblich, einen Flunsch zu ziehen. »Deine Blume hab ich dir doch auch gegeben, oder? Aber im Ernst, Prediger, es liegt Mrs. Woolf wirklich viel daran, daß ich noch ein Stündchen bleibe. Ich glaub, erst wenn wir fertig würden, wäre es für sie ein richtiges Neujahrsfest.«
    »Wenn ihr mit dem Buchstaben R fertig werdet?« ;
    »Wenn wir mit dem Buchstaben R fertig werden.«
    »Das würde sie glücklich machen?«
    »Alte Bibliothekarinnen sind leicht zufriedenzustellen.«
    »Hmm.« Er küßte sie ein drittesmal und konnte sich kaum wieder von ihr trennen. »Und junge Bibliothekarinnen?«
    »Och, die kommen zu guter Letzt auch zu Potte«, sagte sie. »Warum gehst du nicht schon mal vor und sagst Fujiko und Noldorin, daß ich mich ein bißchen verspäte? Mitternacht verpass ich wahrscheinlich, aber ich mach, so schnell ich kann.«
    Prediger öffnete den Mund, um noch etwas zu sagen, doch sie kam ihm mit einem weiteren Kuß zuvor. Ende der Diskussion. Als sie eine Verschnaufpause

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