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Fool on the Hill

Fool on the Hill

Titel: Fool on the Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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einlegten, nickte er, und ein Lächeln schien sich unauslöschlich in sein Gesicht eingeprägt zu haben.
    »Na gut«, gab er nach. »Gegen solche Argumente kann ich einfach nicht an. Aber sei vorsichtig, wenn du nachkommst, hörst du?«
    »Versprochen«, sagte sie.
    »Schön. Und hier.« Während er die Rose liebevoll mit einer Hand festhielt, kramte er mit der anderen in der Manteltasche und förderte eine kleine weiße Schachtel zutage.
    »Was ist das?«
    »Hab ich vergessen«, meinte Prediger achselzuckend. »Mußt schon aufmachen und nachgucken.«
    Sie tat’s. Der Armreif in der Schachtel war aus dunkelgebeiztem Holz und mit einem glänzenden Silberband eingefaßt, das im Licht der Lampe über der Tür schimmerte.
    »Wunderschön!« sagte Jinsei entzückt, und sofort fiel ihr ein knochenbleicher Vogel und eine versiegelte Eisenkiste ein. »O nein! Das ist doch nicht -«
    Prediger nickte. »Ich hatte es in der Tasche, als wir weggelaufen sind. Da kam mir gestern der Einfall, bei einem Freund in der Buffalo Street vorbeizugehen, der Schmuck macht. Nur nichts verkommen lassen.« Das war nicht die ganze Wahrheit. Es steckte mehr als bloße Sparsamkeit hinter diesem merkwürdigen Drang, etwas mit dem Silberband anzufangen - doch was, hätte er beim besten Willen nicht sagen können.
    »Ach, Prediger«, sagte Jinsei zögernd. »Er ist wunderschön, Prediger, aber... ich will diesen Friedhof nie wieder betreten, und ich weiß wirklich nicht, ob ich etwas tragen möchte, das mich an das erinnert, was dort passiert ist.«
    »Na, was ist denn schon groß passiert, Jin? Ein kleiner Schreck, ein kleiner Kratzer. Mein Kopf ist soweit wieder in Ordnung.« Er sah ihr in die Augen, und etwas in diesem Blick zog sie in seinen Bann. »Es ist ein hübsches Ding«, sagte er. »Und ich weiß nicht, vielleicht wird es dir einmal Glück bringen. Das sagt man ja von Silber.« Jetzt war sie es, die nicht mehr widersprechen konnte. Ein seltsames Gefühl schien die Luft um sie herum aufzuladen, ein Gefühl von... na ja, von Bedeutsamkeit. Als stehe ihnen etwas Großes, etwas Ernstes bevor. Jinsei nahm den silbergefaßten Armreif und streifte ihn über ihr Handgelenk; noch nie war die Liebe, die sie für Prediger empfand, stärker gewesen als in diesem Augenblick, und niemals würde sie stärker sein.
    »Sei du auch vorsichtig«, sagte sie und ergriff seine Hände. »Unterwegs.«
    Prediger grinste. »Bin ich immer, Lady.«
    Sie näherten sich einander zu einem letzten Kuß, bevor er ging, doch wurde daraus eine lange Folge von Küssen; und so standen sie ein ganzes Weilchen schmusend in der Tür, während drinnen die Karteikarten und Rhetta Woolf auf Jinsei und draußen der Schnee und die Dunkelheit auf Prediger warteten.
     
    III
     
    Rasferret der Engerling war allein in seinem Versteck. Seine Ratten hatte er auf vielfältige dunkle Missionen ausgesandt, und den Boten hatte er beauftragt, über dem Arts Quad zu kreisen und dafür zu sorgen, daß keine unvorhergesehenen Zwischenfälle die Jagd störten. Nicht, daß Rasferret in der Glockenstube vollkommen blind gewesen wäre. Er hatte einen sechsten Sinn, ein magisches Gefühl für das umliegende Gelände; er wußte, wo sich seine Soldaten befanden und wo seine Opfer.
    Er kauerte in einem niedrigen, durch eine hölzerne Zwischendecke gebildeten Raum inmitten von achtlos verstreuten Speiseresten und konzentrierte sich auf seinen ersten Beseelungsakt seit über hundert Jahren. Das war eine lange Zeit, doch er fühlte sich voll frischer Kraft, und er hatte nicht vergessen, wie es funktionierte. Es war eine Kontraktion des Geistes, ein Scharfstellen des Bewußtseins, ein gewaltiger Willensakt. Ein Teil von Rasferrets Wesen - seine Seele, sein Geist, sein ka, wie immer man es nennen mag - riß sich von ihm los und verdichtete sich vor seinen Augen zu einem funkelnden Schimmern in der Luft, zu einem hauchdünnen silbrigen Gespinst. Er konzentrierte sich noch mehr, erstaunt darüber, wie leicht es ihm trotz fehlender Übung gelang, und schickte die Wesenheit hinaus in die Nacht, auf die Suche nach einem möglichen Wirtskörper, den sie beleben könnte. Er wußte nicht, daß Mr. Sunshine schon einen für ihn ausgesucht und vorbereitet hatte.
    Wie magnetisch angezogen, schoß Rasferrets ka mit rasender Geschwindigkeit und Entschlossenheit in nördlicher Richtung, zur Fraternity Row, zum Tolkien-Haus, wo eine bleiche Plastikpuppe wie eine erwartungsvolle Braut seiner harrte. In diesem verborgenen

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