Fool: Roman (German Edition)
griff das Monstrum an, die Arme ausgebreitet, als wollte er dem Untier sein Herz darbieten. »Meuchle mich, du gnadenloser Gott! Reiß dieses schwarze Herz Britannien aus der Brust!«
Ich konnte ihn nicht aufhalten, und der Alte fiel dem Untier in die Arme. Zu meiner ungläubigen Überraschung jedoch riss es ihm nicht Arme und Beine aus. Der Dämon fing den alten Mann auf und legte ihn sanft ab.
Ich ließ meine Klinge sinken und rückte vor. »Finger weg, Scheusal!«
Das Vieh kniete über Lear, der die Augen verdrehte und zuckte wie bei einem Anfall. Der Dämon sah mich an, und ich entdeckte Haut unter dem Dreck – und das Weiße seiner Augen.
»Hilf mir!«, sagte er. »Hilf mir, ihn in Sicherheit zu bringen!«
Ich trat vor und wischte dem Unhold übers Gesicht. Er war ein Mensch, so sehr mit Schlamm verschmiert, dass der ihm sogar aus dem Munde quoll, doch dennoch ein Mensch, um dessen Arme Ranken oder Lumpen baumelten. Ich konnte es nicht erkennen. »Helft dem armen Tom, ihn aus der Kälte zu schaffen!«, sagte er.
Ich steckte mein Messer weg, holte den Umhang des Alten und half dem verschlammten Nackten, König Lear in den Wald zu schleppen.
Es war eine winzige Hütte, kaum groß genug, dass man darin stehen konnte, doch das Feuer war warm, und die alte Frau rührte in einem Topf, aus dem es nach gekochtem Fleisch und Zwiebeln roch – wie der Odem der Musen in dieser nasskalten Nacht. Lear bewegte sich zum ersten Mal, seit wir ihn aus dem Regen hierhergebracht hatten. Der König lag auf einer Pritsche aus Stroh und Fell. Sein Pelz dampfte noch immer am Feuer.
»Bin ich tot?«, fragte er.
»Naye, Oheim, doch hättet Ihr beinah am salzigen Makel des Todes geleckt«, sagte ich.
»Weiche von mir, Satan!«, rief der nackte Bursche plötzlich und fuchtelte vor seinem Gesicht herum. Ich hatte ihm geholfen, einiges von dem Schlamm abzuwaschen, sodass er nur noch leicht verdreckt und irre war, aber nicht mehr ganz so unansehnlich.
»Armem Tom ist kalt! So kalt.«
»Aye, das ist nicht zu übersehen«, sagte ich. »Es sei denn, du wärst nur ein stattlicher Bursche, der bereits mit rosinengroßem Lümmel auf die Welt gekommen ist.«
»Der Dämon macht Tom Kröten und Kaulquappen fressen und aus dem Graben trinken. Ich esse Kuhdung als Salat und verschlinge Ratten und Reste von toten Hunden. Ich schlürfe Tümpelschleim, und in allen Dörfern werde ich verprügelt und in den Stock gesperrt. Weiche von mir, Satan! Lass den armen Tom in Frieden!«
»Potzblitz!«, sagte ich. »Die Spinner stehen heute Nacht in voller Blüte.«
»Ich habe ihm etwas Hammeleintopf angeboten«, sagte die alte Frau, ohne sich umzudrehen, »aber nein - er wollte seine Frösche und Kuhfladen. Ganz schön krüsch für einen nackten Irren.«
»Pocket«, sagte Lear und zupfte an meinem Arm. »Wer ist dieser nackte Gesell?«
»Er nennt sich Tom, Oheim. Behauptet, der Teufel verfolge ihn.«
»Er muss wohl Töchter haben. Sieh mich an, Tom! Hast du alles deinen Töchtern gegeben? Hat es dich in den Ruin getrieben, bis du keine Kleider mehr am Leibe hattest?«
Tom kroch über den Boden, bis er bei Lear war.
»Ich war ein eitler, selbstsüchtiger Bursche«, sagte der Irre. »Ich habe jede Nacht mit meiner Geliebten geschlafen und bin am Morgen mit dem Drang erwacht, es ihr wieder zu besorgen. Ich soff und zechte und vergnügte mich, während mein Halbbruder auf dem Kreuzzug für eine Kirche war, an die er gar nicht glaubte. Ich nahm alles, ohne jene zu bedenken, die nichts hatten. Jetzt habe ich selbst nichts – keinen Lumpen mehr am Leib, keinen Krumen, keinen Heller, und der Teufel jagt mich für meine Selbstsucht bis ans Ende der Welt.«
»Verstehe«, sagte Lear. »Nur eines Mannes grausame Töchter können ihn so weit treiben.«
»Davon hat er nichts gesagt, o dämlicher Dämlack. Er sagt, er war ein rücksichtsloser Wüstling, und der Teufel hat sein Ding geholt.«
Da wandte sich die alte Frau um. »Aye, der Narr hat recht. Der Irre hat keine Töchter. Ihn plagt nur die eigene Lieblosigkeit.« Sie trug zwei dampfende Schalen Eintopf durch die Hütte und stellte sie vor uns auf den Boden. »Und es sind Eure eigenen Schandtaten, die Euch verfolgen, Lear, nicht Eure Töchter.«
Diese Alte... Die hatte ich doch schon mal gesehen! Es war eine der Vetteln aus dem Großen Wald von Birnam. Andere Klamotten und nicht ganz so grün, aber zweifelsohne Rosemary, die Hexe mit den Katzenkrallen.
Lear glitt zu Boden und nahm Toms
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