Fool: Roman (German Edition)
dem Ärmel ihres Kleides und stieß ihn dem Jungen in den Hals, dann wich sie vor dem spritzenden Blut zurück. Der Junge griff sich an den Hals und ging zu Boden.
»Verschwindet!«, kreischte Regan und schwenkte drohend ihren Dolch nach den Dienern auf der Küchentreppe und an der großen Tür, und sie zerstreuten sich wie eine verschreckte Mäuseschar.
Wankend kam Cornwall auf die Beine und stieß dem Jungen sein Schwert ins Herz. Dann steckte er das Schwert in die Scheide zurück und betastete seine Seite. Alles war klebrig vom Blut.
»Geschieht dir recht, du miese Ratte«, sagte Gloucester.
Schon fiel Cornwall wieder über ihn her. »Heraus mit dir, o fauliger Gelee!«, rief er und wollte gerade seinen Daumen in das gesunde Auge des Grafen drücken, als noch im selben Moment Regans Messer herabstieß und sich in ebenjenes Auge bohrte. »Lasst mich das für Euch erledigen, Mylord!«
Da verlor Gloucester vor Schmerzen das Bewusstsein und hing leblos in seinen Fesseln. Cornwall stand auf und trat dem Alten vor die Brust, dass dieser nach hinten kippte. Der Herzog sah Regan an, mit schwärmerischem Blick, voller Wärme und Bewunderung, wie es offenbar nur möglich ist, wenn du siehst, wie deine Frau einem anderen ein Auge aussticht, nur um dir behilflich zu sein.
»Eure Wunde?«, fragte Regan.
Cornwall breitete die Arme aus, und seine Frau trat an ihn heran, ließ sich umarmen. »Der Dolch hat nur meine Rippen gestreift. Ich werde ein wenig bluten, und es schmerzt, doch wenn man mich bandagiert, wird es schon nicht tödlich sein.«
»Zu dumm«, sagte Regan, stieß ihm das Messer unters Brustbein und hielt es fest, während sein Herzblut über ihre schneeweiße Hand rann.
Der Herzog wirkte irgendwie überrascht.
»Ach«, sagte er, dann sank er zu Boden. Regan wischte ihre Klinge und die Hände an seinem Hemd ab. Sie schob das Messer in ihren Ärmel, dann ging sie zu jenem Kissen, unter dem Cornwall die Krone ihres Vaters versteckt hatte, strich ihre Kapuze zurück und setzte sich die Krone auf.
»Nun, Pocket«, sagte die Herzogin, ohne sich zu dem Alkoven umzudrehen, in dem ich mich versteckte. »Wie steht sie mir?«
Ich war irgendwie überrascht (wenn auch nicht ganz so wie der Herzog).
Da entließ mich der Geist. Ich stand hinter dem Wandteppich, mein Messer wurfbereit.
»Du wirst schon hineinwachsen, Täubchen«, sagte ich.
Sie sah zu meinem Alkoven herüber und grinste. »Ja, nicht wahr? Wolltest du irgendwas?«
»Lass den alten Mann frei!«, sagte ich. »König Jeff von Frankreich hat seine Armee in Dover angelandet. Deshalb hat Gloucester Lear dort hingeschickt. Es wäre klug, ein Lager südlich davon aufzustellen. Verbinde deine Truppen mit Edmunds und Albanys. Am White Tower vielleicht.«
Die großen Türen knarrten, und ein Kopf schob sich herein, ein behelmter Soldat.
»Schickt nach einem Arzt!«, rief Regan. Sie gab sich Mühe, erschüttert zu klingen. »Mylord ist verletzt. Werft den Attentäter auf den Misthaufen und jagt diesen Verräter Gloucester aus der Burg! Soll er sich den Weg zu seinem altersschwachen König in Dover erschnüffeln.«
Einen Augenblick später füllte sich die Halle mit Dienern und Soldaten, und Regan ging hinaus, wobei sie einen letzten Blick und ein verschmitztes Lächeln auf mein Versteck warf. Ich habe keine Ahnung, warum sie mich am Leben ließ. Wahrscheinlich weil sie mich noch immer mochte.
Ich schlich durch die Küche hinaus und kehrte ins Torhaus zurück.
Der Geist stand über Drool gebeugt, der sich unter seiner Decke in eine Ecke drückte. »Komm schon, süßer Grobian, lass uns ein bisschen knutschen!«
»Lass ihn in Ruhe, Wölkchen!«, rief ich, obwohl sie fast so fleischlich war wie eine Sterbliche.
»Hab ich dir die Tour vermasselt, Narr?«
»Vielleicht hätte ich das Auge des alten Mannes retten können.«
»Hättest du nicht.«
»Vielleicht hätte ich Regan zu ihrem Herzog schicken können, in welcher Hölle er auch schmoren mag.«
»Nein, hättest du nicht.« Dann hielt sie einen nebulösen Finger hoch, räusperte sich und reimte:
»Wenn aus der zweiten Schwester Spott dann quellen
Lügen, die den Blick verstellen,
Und zerschneiden Bande, die Familien binden,
Steht ein Irrer auf und führt den Blinden.«
»Den hast du schon mal gebracht.«
»Ich weiß. Da war ich wohl etwas vorschnell. Entschuldige. Ich hoffe, du findest ihn jetzt passender. Ich schätze, selbst ein Esel wie du müsste das Rätsel nun lösen können.«
»Oder du
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