Fool: Roman (German Edition)
und Schleudern nicht mehr ertragen …«
»Mylord Gloucester! Bitte, wenn Ihr die Freundlichkeit besäßet … und sei es bei den verkohlten Hoden des Heiligen Georg: Schnauze!«
»Bisschen harsch, hm?«, sagte Curan.
»Wie? Ich hab doch ›bitte‹ gesagt.«
»Trotzdem.«
»Tut mir leid, Gloucester, alter Knabe. Schicker Hut, das.«
»Er trägt gar keinen Hut«, sagte Curan.
»Aber er ist blind, oder? Hättet Ihr nichts gesagt, würde er sich jetzt vielleicht über seinen blöden Hut freuen, oder?«
Der Graf fing wieder an zu jammern. »Meine Söhne sind Halunken, und ich habe keinen Hut.« Er wollte noch mehr sagen, aber Drool hielt ihm den Mund mit seiner Pranke zu.
»Danke, Kleiner. Curan, habt Ihr was zu essen?«
»Aye, Pocket. Wir können so viel Brot und Käse entbehren, wie ihr tragen könnt, und ich schätze, einer meiner Männer könnte sogar eine Flasche Wein auftreiben. Seine Lordschaft war so großzügig, uns mit reichlich Proviant zu versorgen«, sagte Curan zu Gloucesters Gunsten. Der alte Mann fing an, sich gegen Drool zu wehren.
»Verdammt, Curan, Ihr habt ihn wieder aufgeregt. Seid so gut und sputet Euch! Wir müssen Lear suchen und gen Dover ziehen.«
»Dann also gen Dover? Ihr verbündet Euch mit Frankreich?«
»Aye, mit König Jeff, dieser froschäugigen, äffchennamigen, frauenklauenden Schwuchtel.«
»Dann magst du ihn also?«
»Ach, leckt mich, Hauptmann! Sorgt nur dafür, dass der Trupp, den Regan auf unsere Fährte setzt, uns nicht einholt. Meutert nicht, zieht nur erst ostwärts gegen Dover, dann südwärts weiter. Ich führe Lear gen Süden, dann gen Osten.«
»Lass mich mitkommen, Pocket! Der König braucht besseren Schutz als zwei Narren und einen Blinden.«
»Der alte Ritter Caius ist bei Lear. Ihr helft dem König am meisten, wenn Ihr seinem Plan hier an Ort und Stelle dient.« Was nicht ganz stimmte, doch hätte er seine Pflicht getan, wenn er seinen Kommandeur für einen Narren hielt? Wohl kaum.
»Nun denn. Ich hol euch was zu essen«, sagte Curan.
Als wir zu der Kate kamen, stand Tom O’Bedlam draußen nackt im Regen und bellte.
»Der bellende Kerl ist nackt«, sagte Drool und huldigte dieses eine Mal nicht dem Heiligen Sankt Offenbar, da wir ja mit einem Blinden reisten.
»Aye, jedoch die Frage stellt sich: Ist er nackt, weil er bellt, oder bellt er, weil er nackt ist?«, fragte ich.
»Ich habe Hunger«, sagte Drool, der mit dieser Frage überfordert war.
»Armer Tom, friert und ist verflucht«, stieß Tom zwischen Hustenanfällen hervor, und da ich ihn zum ersten Mal bei Tageslicht und fast sauber sah, staunte ich nicht schlecht. Ohne die Schlammschicht kam mir Tom bekannt vor. Sehr bekannt sogar. Tom O’Bedlam war in Wahrheit Edgar von Gloucester, des Grafen legitimer Sohn.
»Tom, wieso stehst du hier draußen?«
»Armer Tom. Der alte Ritter Caius hat gesagt, er soll im Regen stehen, bis er sauber ist und nicht mehr stinkt.«
»Und hat er dir auch gesagt, dass du bellen und von dir selbst in der dritten Person sprechen sollst?«
»Nein, das habe ich mir selbst einfallen lassen.«
»Komm mit rein, Tom! Geh Drool mit dem alten Knaben zur Hand!«
Tom sah Gloucester zum ersten Mal an. Seine Augen wurden groß, und er sank auf die Knie. »Bei aller Grausamkeit der Götter!«, sagte er. »Er ist blind.«
Ich legte ihm meine Hand auf die Schulter und flüsterte: »Seid standhaft, Edgar, Euer Vater braucht Eure Hilfe.« In diesem Moment leuchteten seine Augen, als flammte ein Funke geistiger Klarheit auf, und er nickte, erhob sich und nahm den Grafen beim Arm. Steht ein Irrer auf und führt den Blinden.
»Kommt, edler Herr!«, sagte Edgar. »Tom ist verrückt, aber nicht so sehr, dass er nicht einem Fremden in Not helfen könnte.«
»Lasst mich nur sterben«, sagte Gloucester und versuchte, Edgar von sich zu stoßen. »Gebt mir ein Seil, um meinen Hals zu strecken, bis mir der Atem stockt.«
»Das hat er öfter«, sagte ich.
Ich öffnete die Tür und erwartete, Lear und Kent dort vorzufinden, doch die Hütte war leer, und das Feuer war nur mehr eine Glut. »Tom, wo ist der König?«
»Er ist mit seinem Ritter nach Dover aufgebrochen.«
»Ohne mich?«
»Der König wollte unbedingt wieder in den Sturm hinaus. Der alte Ritter lässt Euch sagen, sie seien auf dem Weg nach Dover.«
»Hier, hier, bringt den Grafen herein!« Ich trat beiseite und ließ Edgar seinen Vater in die Kate bugsieren. »Drool, wirf etwas Holz aufs Feuer! Wir können nur
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