For the Win - Roman
man auch ein paar »ermutigende Worte« für seine Kollegen finden, wenn man an ihnen vorbeizog – aber sie durften nicht mehr als 140 Zeichen umfassen, damit man sie auch gleich twittern konnte. Diese Botschaften hatten geradezu neue Maßstäbe für die Kunst der knappen Prahlerei und Schmähung gesetzt.
Wei-Dong hatte einen neuen Verwendungszweck für die Boards gefunden: Er nutzte sie, um nach potenziellen Überläufern Ausschau zu halten. Die Spielbetreiber hatten ihnen die Möglichkeit gegeben, massenweise alte Datensätze runterzuladen, und ermutigten die Mitarbeiter dazu, Montagen oder Visualisierungen ihrer besten Einsätze daraus zu basteln. Wei-Dong aber hatte andere Pläne.
Seit Wochen schon lud er gigantische Mengen an Informationen herunter und fütterte damit eine Datenbank, die er mit Matthews Hilfe angelegt hatte. An diese Datenbank konnte er nun ein paar sehr spezielle Anfragen stellen, zum Beispiel: » MT s, die ganz oben mit dabei waren, dann aber trotz langer Arbeitsstunden abgehängt wurden.« Oder: »Solche MT s, die besonders viel fluchen, wenn sie Dialoge für NSC s entwerfen.« Und vor allem: »Alle, die unterdurchschnittlich wenig Goldfarmer an ihre Bosse verpetzen.«
Normalerweise war das eine Haupteinnahmequelle für die MT s: Jedes Mal, wenn sie einen Farmer verpfiffen, bekamen sie einen großen Bonus, und so zogen sie regelmäßig los, das Spiel zu »entlausen«. Eine nicht unerhebliche Zahl von ihnen ging niemals auf Farmerjagd, und die waren Wei-Dongs natürliche Zielgruppe.
Er hatte eine lange Liste von Kandidaten und für jeden eine Übersicht seiner üblichen Onlinezeiten und hauptsächlichen Einsatzgebiete. Jetzt musste er sich nur noch mit einem der vielen Webbly-Accounts einloggen, sich an den entsprechenden Ort in der Spielwelt begeben, einen MT herbeizitieren und hoffen, dass der richtige kam. Natürlich wäre es einfacher, die Messageboards der MT s zu benutzen, aber dann würde er binnen Sekunden auffliegen und gefeuert werden. Seine Methode war vielleicht weniger effizient, dafür aber sicherer.
Er befand sich auf dem Sternenacker der Goombas, einer Wolkenlandschaft im Pilzkönigreich. Hier wurden in endlosen Reihen die Power-Sterne großgezogen, und die Spieler konnten den netten und lustigen Bauern dabei helfen, die Beete zu jäten und die Sterne zu ernten, sobald sie reif waren. Dafür erhielten erfahrene, arbeitsame Sternenbauer später mehr Energie, wenn sie Sterne sammelten.
Und da war auch schon ein Bauer: Er hatte einen Grashalm im Mund und arbeitete vor seinem Haus, das ebenfalls aus Wolken bestand. Er bot Wei-Dong eine Quest an – nichts Besonderes, bloß ein paar der kleineren Wolken, die nicht von feindlichen Lakitus patrouilliert wurden, von Unkraut befreien. Wei-Dong nahm die Quest an, dann begann er einen Chat mit dem Bauer: »Wie lange hast du deinen Hof hier schon?«
»Ach, mein Kleiner, ich bestelle meinen Hof schon, seit ich noch sooo klein war – davor hat er meinem Papa gehört, und davor wieder seinem. Ich schätze, wir sind schon ’ne echte Bauernfamilie, hihi!«
Natürlich kam das alles aus der Dose. Kein echter MT brächte es je fertig, so einen rührseligen Blödsinn zu schreiben. Der Bauern- NSC hatte eine ganze Reihe solch dummer Antworten auf dumme Fragen in petto. Um einen Mechanischen Türken zu kriegen, musste Wei-Dong irgendwie über diesen Tellerrand hinauskommen.
»Macht die Arbeit denn Spaß?«
»Ei klar, könnt’ man so sagen! Ist ein feines Leben – solange die Sonne scheint, hihi!«
Wei-Dong verdrehte die Augen. Wer schrieb so was? »Und was für Probleme hast du so?«
»Ach, ist ein feines Leben – solang die Sonne scheint, hihi!«
Wei-Dong grinste. Sobald der NSC sich zu wiederholen begann, wurde ein MT gerufen. Der Bauer schien kurz zusammenzuzucken.
»Ist zu wenig Sonne dein einziges Problem?«
»Ach, Kleiner, du willst doch einen alten Bauern nicht jammern hören! Tagein, tagaus arbeite ich hier, und mir tun schon die Hände weh. Lass uns doch über was Schöneres reden.« Das war doch schon besser. So was würde sich bloß ein rollenspielverrückter MT ausdenken – und das passte zum Profil des MT , den er suchte.
»Bist du Jake Snider?«, tippte er.
Der Charakter bewegte sich kein bisschen. »Den Namen hab ich nie gehört, mein Bürschchen. So, du gehst jetzt besser wieder an die Arbeit.«
»Ich glaube schon, dass du Jake Snider bist, und ich glaube, du weißt ganz gut, dass du von Coke nicht viel
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