For the Win - Roman
»Ach, Tank«, seufzte sie. »Den Werbekunden ist es egal, worüber ich rede, solange die Mädchen mir nur zuhören … Und sie hören mir zu!«
Sie tätschelte seine Hand. »Und jetzt möchte ich, dass du mir einen Interviewpartner für heute Abend besorgst – jemanden, der mir erzählen kann, wie es bei den Webblys vorangeht. Gab es neue Proteste?«
Er schüttelte den Kopf. »Keine öffentlichen zumindest. Zu viele Verhaftungen.« Allein in Südchina saßen über hundert Webblys im Gefängnis. »Das aus Dongguan hast du aber mitgekriegt, oder?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Die Webblys da haben was ganz Neues: Statt eine Menge Krach zu schlagen und Parolen zu rufen, spazieren sie einfach alle ganz langsam um den Busbahnhof, mitten in der Stadt, und essen Eis.«
»Eis?«
Ergrinste.»Eis.Seitdie jingcha jedenverhaften,derauchnurentferntnachProtestaussieht,verbreitendieWebblysüberallAufrufe:›GehtdaunddahinundkaufteucheinEis.‹Dutzende,Hunderte,allemiteinemEisundeinemirrenGrinsenimGesicht,unddiePolizistenglotzeneinanderhilflosan: Verhaften wir sie jetzt, weil sie Eis essen, oder was? DannhatteirgendwerdiegrandioseIdee,sich zwei PortionenEiszukaufenundeinedavoneinemPassantenzuschenken.EinfacherkriegstdudieLeutenichtrekrutiert!«
Sie lachte, dass ihr die Tränen die Wange hinabliefen. »Ich liebe euch Jungs«, sagte sie. »Ich kann’s kaum erwarten, das heute Nacht zu erzählen!«
»Und wenn man sie wirklich wegen des Eisessens zu verhaften anfängt, treffen sie sich eben nur noch und lächeln sich an. Wie wäre das? Verhaften wir sie jetzt, weil sie lächeln ?«
Ihr Lachen durchbrach die unsichtbare Barriere zwischen ihnen und den Webblys, die sich am Boden von ihrer Schicht erholten. Die Jungen wollten wissen, was so lustig war. Manchen war die Geschichte mit dem Eis noch neu – sie waren einfach zu beschäftigt mit dem Kampf gegen Streikbrecher gewesen – , aber alle waren sich einig, dass die Idee einfach genial war.
Schon luden sie sich Videos davon herunter, und bald darauf kam die nächste Schicht zurück und wollte auch wissen, worüber sie lachten, und ehe sie sichs versahen, planten sie schon ihr eigenes Eiscreme-Happening. Das Herumgealbere zog sich noch bis in den späten Abend, dann schnappten sich Jie und Lu ein paar hysterische Webblys als Interviewpartner für die Sendung und stahlen sich davon.
Als Lu später den Kopf aufs Kissen sinken ließ, den Arm um Jies schmale Schultern legte und das Gesicht in ihrem dichten, duftenden Haar vergrub, erlebte er einen Moment des Friedens und des Glücks, wahren Glücks … Und da wusste er, dass sie unmöglich verlieren konnten.
Der Streik ging in die zweite Woche, als das Imperium schließlich zurückschlug. Connor hatte seit Tagen von dem Streik gewusst, aber nicht gleich gehandelt. Zunächst einmal war er sich nicht sicher gewesen, ob er überhaupt wollte . Schließlich machten sich die Parasiten ja nur gegenseitig das Leben schwer, und so ungern er es auch zugab: Die Streikenden bekamen es sehr viel besser hin als er, die Goldmärkte zu schließen. Außerdem fand er die Zusammenstellung von Leuten irgendwie faszinierend. Zwar benutzten sie alle Proxys, aber ihrem Schlafrhythmus und Chat nach zu urteilen, waren sie über den gesamten indischen Subkontinent und pazifischen Raum verteilt. Wie er da im Auge Gottes, sprich in seiner Kommandozentrale saß, kam er sich wie auf dem Logenplatz eines wundersamen Flohzirkus vor, in dem exotische, gut gerüstete Insekten endlose Schlachten gegeneinander schlugen und das so straff organisiert, dass es schon an militärische Disziplin grenzte.
Es konnte aber auch nicht ewig so weitergehen. Auch die anderen in der Zentrale hatten bemerkt, dass etwas im Busch war, und die Märkte hatten ebenfalls reagiert und schlugen derartige Purzelbäume, dass selbst die Mainstreampresse herumzuschnüffeln begann. Bis vor ein paar Jahren waren Geschäfte mit Spielgold immerhin noch ein Exotenthema fürs Sommerloch gewesen. Heutzutage waren die Einzigen, die sich noch dafür interessierten, die Spieler selbst – und die Großhändler mit ihren riesigen Vermögen, die Gold in all seinen Erscheinungsformen schneller kauften und verkauften, als man hinschauen konnte.
All das änderte sich schlagartig, als man das erste Mal von den Webblys und ihren konzertierten Schlachten, ihren Eiscreme-Demos und ihrem globalen Netzwerk hörte. Mittlerweile rief die PR -Abteilung des Konzerns fünfmal am Tag bei ihnen in der
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