For the Win - Roman
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»Nein,Mamaji,erhatmichnichtangerührt.Erhatesaberversucht.Ichhabeihnumgestoßen.Zweimal.Undihnsolangegetreten,bisichetwasbrechengehörthabe … Dannbin ich nach Hause gerannt.«
»Mala!« Ihre Mutter hielt sie auf Armeslänge. »Wer war es?« Was so viel hieß wie: War er jemand, der uns Schwierigkeiten machen, der unsere Existenz in Dharavi zerstören könnte? Ist er jetzt hinter uns her?
»Es war Mrs. Dottas Neffe – der Große, der die ganze Zeit nur Ärger macht.«
Die Finger ihrer Mutter krampften sich um Malas Arme und ihre Augen wurden groß.
»Oh Mala, Mala – oh nein … «
Mala wusste, was ihre Mutter meinte und weshalb sie von Furcht fast verzehrt wurde: Der Kontakt zu Mr. Banerjee lief über Mrs. Dotta. Die Wohnung, ihr Leben, das Telefon und die Kleider, die sie am Leib trugen – das alles kam von Mr. Banerjee, und Mrs. Dotta konnte es ihnen wieder nehmen. Wenn ihr Neffe sie dazu brachte, ihnen die Freundschaft zu kündigen, würde das Malas Familie das Geld, ihre Sicherheit, schlicht alles kosten.
Das war die größte Ungerechtigkeit überhaupt. Und vielleicht auch der Grund dafür, dass sie Mrs. Dottas Neffen immer wieder getreten hatte. Dieser Ochse von einem Jungen hatte darauf gesetzt, dass er mit seinem Grapschen und seinen Einschüchterungsversuchen davonkommen würde, weil Mala es sich gar nicht leisten konnte, ihn daran zu hindern. Sie hatte ihn aber daran gehindert – und sie konnte und würde das nicht bedauern.
»Ich kann mit Mr. Banerjee reden«, sagte sie. »Ich habe seine Telefonnummer. Er weiß, dass ich eine gute Arbeiterin bin – er wird alles wieder in Ordnung bringen. Du wirst schon sehen, Mamaji, keine Sorge.«
»Wieso, Mala, wieso? Hättest du nicht einfach wegrennen können? Warum musstest du diesen Jungen verletzen?«
Mala spürte, wie die Reste ihrer Wut wieder in ihr aufflammten. Ihre Mutter, ihre eigene Mutter …
Aber sie verstand, was sie meinte. Ihre Mutter wollte sie beschützen – und ihre Mutter war kein General. Sie war bloß ein Mädchen vom Dorf, das erwachsen geworden war. Sie hatte zu viele Jungen und Männer ertragen müssen, zu viel Schmerz, Armut und Angst. Und Mala war es bestimmt, wie sie zu werden: jemand, der vor den Angreifern davonrannte, weil er es sich nicht leisten konnte, sie zu verärgern.
So würde sie auf keinen Fall werden.
Egal, was mit Mr. Banerjee und Mrs. Dotta und ihrem dummen Neffen war, so würde sie niemals werden.
Es gab eine Methode, reich zu werden, ohne irgendetwas zu tun oder herzustellen, das irgendjemandem was brachte. Man musste bloß schnell genug sein.
Der Fachbegriff dafür war Arbitrage . Angenommen, es war Winter und die Straßen voller Schnee. Frau Hungrig vom einen Ende des Flurs hätte aber gern eine Banane und wäre bereit, 50 Cent dafür zu zahlen. Ihr Nachbar vom anderen Ende, Herr Satt, hatte einen ganzen Schrank voller Bananen, aber Schwierigkeiten, seine Telefonrechnung zu zahlen, deshalb wäre er bereit, seine Bananen für 30 Cent das Stück zu verkaufen.
Ein guter Nachbar hätte jetzt Frau Hungrig angerufen, ihr von Herrn Satt erzählt und die beiden zusammengebracht. Solch ein guter Nachbar konnte sich aber auch abschminken, jemals ohne vernünftige Arbeit an Geld zu kommen.
Ein Arbitragehändler dagegen begriff die bedauerliche Unwissenheit seiner Nachbarn stets als Gelegenheit. Er hätte alle Bananen von Herrn Satt gekauft, sie schnell zu Frau Hungrig getragen und die Hand aufgehalten. Jede verkaufte Banane hätte ihm 20 Cent eingebracht. Und das nannte man dann Arbitrage .
Arbitrage konnte also eine ziemlich risikolose Einnahmequelle sein. Was aber passierte, wenn ein anderer Arbitragehändler schneller vor Frau Hungrigs Tür stand und ihr mehr Bananen verkaufte, als sie jemals essen konnte? Dann saß man auf einem ganzen Haufen Bananen und wurde sie nie wieder los.
Im echten Leben schleppten Arbitragehändler natürlich keine Bananen mit sich herum. Sie kauften und verkauften über vernetzte Rechner, die alle Gesuche und Gebote verfolgten, und wenn sie jemanden fanden, der mehr für etwas zu zahlen bereit war, als es eigentlich wert war, dann rissen sie es sich unter den Nagel und verkauften es zum höheren Preis. Früher hatte man einen solchen Handel noch »simultan« genannt, so als ob wirklich zeitgleich gekauft und weiterverkauft würde. Doch je schneller Computer und Software wurden, desto größer wurde auch der Unterschied zwischen »zeitgleich« und einfach bloß unheimlich
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