For the Win - Roman
fehlten die Worte. Gab es wirklich noch andere, hier in Dharavi, hier in Malas Armee, die genauso empfanden wie sie? Sie hätte das nie für möglich gehalten. Und doch war es so.
»Du weißt aber, dass du in Malas Armee zehnmal so viel kriegst wie bei den Webblys, oder?«
»Im Moment«, sagte er. »Genau darum geht es doch aber, oder nicht? Wenn wir heute kämpfen, können wir bessere Löhne für alle erreichen. Für alle, die für ihren Lebensunterhalt arbeiten, statt einfach nur etwas zu besitzen. Richtig?«
»Ich habe mir diesen Unterschied nie so bewusst gemacht. Zwischen Arbeit und Besitz als Lebensgrundlage, meine ich.«
Seine Schüchternheit war wie weggewischt. Er war sichtlich froh, jemanden zu haben, mit dem er darüber reden konnte. »Im Endeffekt geht es immer um den Unterschied zwischen Arbeit und Besitz. Jemand muss natürlich auch die Organisation übernehmen – es gäbe kein Zombie Mecha , wenn man nicht die vielen Leute hätte, die den ganzen Code programmieren. Jemand muss die Spielbetreiber bezahlen und so weiter. Den Teil verstehe ich noch. Das ergibt Sinn. Meine Mutter zum Beispiel arbeitet in Mrs. Dibyendus Färberei. Jemand muss die Farben und Stoffe besorgen, die Wannen und Werkzeuge, und hinterher den Verkauf regeln, sonst hätte meine Mutter keine Arbeit. Da habe ich dann aber immer aufgehört zu denken. Ich dachte, alles klar, wenn Mrs. Dibyendu all das übernimmt und meiner Mutter einen Job gibt, warum sollte sie nicht auch was davon haben?
Mittlerweile finde ich aber, es gibt keinen Grund, weshalb Mrs. Dibyendus Arbeit wichtiger sein sollte als die meiner Mutter. Mamaji hätte keine Arbeit ohne Mrs. Dibyendus Färberei, aber Mrs. Dibyendu hätte auch keine Färberei ohne Mamajis Arbeit, stimmt’s?«
»Stimmt«, erwiderte Yasmin. Es machte sie nervös, in aller Öffentlichkeit mit diesem Jungen gesehen zu werden, aber sie musste zugeben, dass es aufregend war, was er sagte.
»Warum also sollte Mrs. Dibyendu das Recht haben, meine Mutter zu feuern, meine Mutter aber nicht das Recht, Mrs. Dibyendu zu feuern? Wenn sie aufeinander angewiesen sind, weshalb sollte dann eine von beiden immer die Macht haben, Bedingungen zu stellen, und die andere immerzu um Gefallen bitten müssen?«
Yasmin stimmte ihm zwar zu, hatte aber das Gefühl, dass mehr dahinterstecken müsse. »Trägt Mrs. Dibyendu nicht das ganze Risiko? Hat sie nicht erst das Geld für die Geschäftsgründung auftreiben müssen, und verliert sie es nicht, wenn sie schließen muss?«
»Riskiert Mamaji denn nicht, ihre Stelle zu verlieren? Riskiert sie es nicht, von all den Dämpfen und Chemikalien in der Farbe krank zu werden? Nichts daran ist gottgegeben oder perfekt oder natürlich! Es ist bloß etwas, mit dem wir alle einverstanden sind: Bosse kriegen die ganze Macht, statt einfach nur eine andere Art von Arbeiter zu sein, die eine andere Art von Arbeit leistet!«
»Und das, glaubst du, können die Webblys erreichen? Den Bossen ein Ende setzen?«
Er senkte den Blick und errötete. »Nein«, sagte er. »Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube, das ist zu viel verlangt. Aber vielleicht können die Arbeiter ja wenigstens bessere Bedingungen bekommen. Davon redet Schwester Nor doch immer, oder? Gute Bezahlung, sichere Arbeitsplätze, faire Bedingungen? Nicht gefeuert zu werden, bloß weil man mit dem Boss nicht einer Meinung ist.«
Oder mit dem General , dachte Yasmin. Laut fragte sie: »Also wirst du die Armee verlassen? Willst du ein Webbly werden?«
Er senkte den Kopf noch mehr. »Ja«, erwiderte er schließlich. »Irgendwann. In meinem Kopf geht alles durcheinander. Ich weiß nicht, ob ich schon so weit bin.« Er riskierte einen raschen Blick auf sie. »Ich weiß nicht, ob ich deinen Mut habe.«
Wut stieg in ihr hoch, wilde, unvernünftige Wut. Wie konnte er es wagen, über ihren »Mut« zu reden? Mangelnder Mut war doch nur eine Ausrede, um in Malas Armee reich zu werden. Schließlich verstand er ganz genau, was schieflief und was getan werden musste. Viel besser als Yasmin! Aber er wollte seine Sicherheit und Freunde nicht aufgeben. Das war keine Feigheit, das war Gier . Er war zu gierig, alles
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