Forbidden
roten Lippen – dann ihr gerötetes Gesicht und wie wild und wunderschön sie aussieht.
Ich atme hektisch. Viel zu schnell.
»Du hast es mich versprechen lassen.« Sie wirkt jetzt wütend.
»Ja, ich weiß, schon in Ordnung!« Ich springe auf und gehe unruhig im Zimmer auf und ab.
»Lochie? Was ist? Alles okay?«
Nein, überhaupt nicht. Ich habe das noch nie verspürt, und es erschreckt mich. Mein Körper scheint die Herrschaft übernommen zu haben. Ich bin so erregt, dass ich kaum denken kann. Ich muss unbedingt ruhiger werden. Ich muss die Kontrolle behalten. Das darf nicht geschehen. Ich fahre mir immer wieder nervös mit den Fingern durch die Haare und atme keuchend ein und aus.
»Tut mir leid. Ich hätte es früher sagen sollen.«
»Nein!« Ich fahre zu ihr herum. »Du bist doch nicht schuld, um Himmels willen!«
»Schon gut, schon gut! Warum bist du so wütend?«
»Bin ich nicht! Ich bin nur –« Ich stehe still und lehne die Stirn gegen die Wand, kämpfe gegen den übergroßen Wunsch an, mit der Stirn dagegenzuschlagen. »Mein Gott, was sollen wir bloß tun?«
»Keiner würde es jemals erfahren«, sagt sie leise.
»Nein!«, rufe ich.
Durch meine Adern schießt es wie Acid, und mein Herz schlägtso laut, dass ich es hören kann. Es ist nicht nur die körperliche Frustration gerade eben, es ist alles: wie unmöglich unsere Situation ist; der Schrecken, dass wir es so weit haben kommen lassen; die Verzweiflung, weil ich Maya nie so werde lieben können, wie ich sie gern lieben würde.
»Lochie, bitte, beruhige dich!« Ihre Hand berührt meinen Arm.
Ich stoße sie weg. »Nicht!«
Sie weicht einen Schritt zurück.
»Weißt du überhaupt, was wir hier treiben? Hast du überhaupt eine Ahnung, was das für Folgen haben kann? Weißt du, wie man das nennt?«
»Was ist denn in dich gefahren?«, fragt sie. »Warum lässt du es plötzlich an mir aus?
Ich starre sie an. »Maya, wir dürfen das nicht tun«, bricht es aus mir heraus. »Wir dürfen nicht. Wenn wir damit anfangen, wie wollen wir jemals aufhören? Willst du das für den Rest des Lebens als Geheimnis mit dir rumschleppen und vor allen verschweigen? Meinst du, wir können das? Wir werden kein freies Leben haben … Wir werden immer Gefangene sein, uns immer verstecken müssen, immer so tun müssen, als wären wir –«
Sie starrt mich ebenfalls an, mit weit aufgerissenen Augen. »Die Kleinen …«, sagt sie leise, weil es ihr plötzlich klar wird. »Tiffin und Willa … Kit … Wenn irgendjemand was herausfindet, werden sie uns weggenommen!«
»Ja.«
»Dann dürfen wir nicht? Wir dürfen wirklich nicht?« Sie sagt es als Frage, aber an ihrem Gesicht erkenne ich, dass sie die Antwort bereits weiß.
Ich schüttle langsam den Kopf. Dann schlucke ich mehrere Male, wende den Kopf ab und schaue zum Fenster hinaus. Ich will nicht, dass Maya die Tränen in meinen Augen sieht. Der Himmel ist flammend rot, die Nacht ist vorbei.
Vierzehntes Kapitel
Maya
Ich bin müde. So wahnsinnig müde. Die Müdigkeit liegt auf mir wie ein tonnenschweres Gewicht, löscht in mir jeden anderen Gedanken, jedes andere Gefühl aus. Es kostet mich so viel Kraft, mich durch einen Tag nach dem anderen zu schleppen. Immer eine freundliche Maske aufgesetzt, immer ausstrahlend, dass alles in Ordnung ist. Ich versuche weiter, aufzunehmen, was andere zu mir sagen, versuche, mich im Unterricht zu konzentrieren, versuche, für Kit, Tiffin und Willa ganz normal zu wirken. Aber ich bin so müde, dass ich die Tränen, gegen die ich jede Minute, jede Stunde, jeden Tag ankämpfe, die ich ständig herunterschlucke, bald nicht mehr zurückhalten kann. Mir tut davon schon die Kehle weh. Sogar in der Nacht, wenn ich mein Kopfkissen fest umklammert halte und durch das Fenster in die Dunkelheit starre, erlaube ich den Tränen nicht, mich zu überwältigen. Denn wenn ich es täte, würde ich auseinanderbrechen, ich würde in tausend Stücke zersplittern wie Glas. Die Leute fragen mich dauernd, was denn los sei, und ich würde dann am liebsten laut schreien. Francie glaubt, es sei deswegen, weil Nico nichts mehr von mir wissen will, und ich lasse sie in dem Glauben – das ist leichter, als mit einer anderen Lüge zu kommen. Nico versucht noch ein paarmal in der Pause, mit mir zu reden, doch ich mache ihm unmissverständlich klar, dass ich keine Lust auf ein Gesprächmit ihm habe. Er wirkt verletzt, aber das ist mir egal. Wenn du nicht gewesen wärst, denke ich. Wenn diese verdammte
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