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Forellenquintett

Titel: Forellenquintett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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sie es.
    Sie drehte sich um, verließ ihr Zimmer und ging entschlossen in Richtung Musikraum.
     
     
     
    I n der Rezeption war eine Nachricht für sie gewesen, sie werde unten in der Bar erwartet, und so stieg Tamar die Wendeltreppe hinunter, etwas unsicheren Schrittes, in dem kleinen Café im Kazimierz waren es noch ein paar Bestellungen mehr geworden, von wegen Café!
    Eine Stufe, dann wieder zwei, nein, drei. Gewölbe. Aus Ziegeln gemauert, kopfschmerznah. Die Fugen frisch verputzt. Teelichter blaken. Ein verlorenes Liebespaar. Liebe? Ei freilich, für eine Handvoll Euro. Barkeeper im Smoking. Allein am Tresen: ein einzelner dicker Mensch. Beleidigt. Weggebissen. Ganz an der Ecke die, die schuld ist. Kurz das Haar. Den langen schlanken Nacken nach vorn gebeugt, die Hand, die kleine feine kühle Hand, ums Glas gelegt, schutzsuchend beim Gin Tonic. Schutz? Das müsstest du aber besser wissen.
    »Es ist lieb«, sagte die Kinderstimme, »dass du noch kommst. Du hast sicher jemand gefunden, der nicht so langweilig ist.«
    »Einen doppelten Espresso«, bestellte Tamar beim Barkeeper und gab ihrer Stimme einen festen Klang, einen möglichst unverwischten. Sie sah sich um. »Hier an der Theke mag ich nicht reden.« Sie steuerte eine Sitzgruppe in der Ecke an, dunkel unterm Gewölbe, Smoking-Bubi zündete ein Teelicht an. Hannah folgte gehorsam, zu gehorsam. Dicker Mann murmelte. Lesbijky heißt das, mein Freund, hab es im slownik nachgeschlagen.
    »Ja?«, fragte Hannah, als sie sich gesetzt hatten. »Du wolltest noch ein wenig plaudern?«
    Plaudern! Ganz ruhig, dachte Tamar. »Doch, das sollten wir«, antwortete sie. »Es gibt da ein oder zwei Dinge...«
    »Ach!«, sagte Hannah mit täuschend heller Stimme, »wir geben uns Rätsel auf, wie nett, ein oder zwei Dinge, was könnte das wohl sein...?« Die Stimme wurde schneidend. »Und ich sitze diesen ganzen gottverdammten Abend allein und verlassen in diesem gottverdammten Hotel. Allein mit meiner Angst und meinen Gespenstern...«
    Tamar senkte den Kopf. Nein, sie senkte ihn nicht wirklich, sie deutete es nur an. Ein Zeichen, nichts weiter. Sie würde zuhören und warten, bis es vorbei ist.
    »Also gut«, sagte Hannah. »Erst das eine, dann das andere. Ich höre.«
    Der Barkeeper brachte den Espresso. Tamar lächelte ihn entschlossen an und wartete, bis er wieder verschwunden war.
    »Erst die gute Nachricht«, antwortete sie schließlich, die Stimme noch weiter gedämpft. »Du kannst zur Vernissage zurück nach London.«
    Hannah bekam schmale Augen. »Wer, zum Teufel, hätte mich daran hindern wollen?«
    »Die polnische Polizei zum Beispiel.«
    »Unglaublich. Und jetzt tut sie es nicht?«
    »Nein, sie tut es nicht.«
    Hannah nickte. »Wenn das eine gute Nachricht ist, was ist dann die schlechte?«
    »Du darfst nicht nur, du musst zurück nach London.«
    Eine scharfe Falte zeichnete sich auf Hannahs Stirn ab. »Lass deine albernen Spielchen. Was soll das heißen: Ich muss zurück?«
    »Wir sind der Ansicht«, fing Tamar an und korrigierte sich, »nein, anders. Der polnische Ermittlungsbeamte Pawel Jachimczak ist der Ansicht, dass du in Gefahr bist. Ich glaube, dass er Recht hat...«
    »Ach nein«, sagte Hannah, »du und dieser Pawel Dingsbums! Fickst du jetzt schon Männer? Und wieso bin ich in Gefahr?«
    Tamar griff in ihre Jackentasche und holte einen Umschlag heraus. Sie sah sich kurz um, niemand beobachtete sie, sie öffnete den Umschlag und zog zwei Fotografien heraus.
    »Deshalb«, sagte sie und legte Hannah die beiden Abzüge hin.
    Die schüttelte den Kopf. »Ich kann da nichts sehen, nicht mit der einen Funzel da.«
    Tamar stand auf. »Komm mit.« Zusammen gingen sie auf die Damentoilette, in eine weiß-rosa gekachelte, mit hell beleuchteten Kristallspiegeln und poliertem Marmorboden versehene. Tamar vermied einen Blick in den Spiegel, Hannah blieb vor dem ersten der beiden Waschbecken stehen. Widerstrebend nahm sie das erste der beiden Fotos und warf einen Blick darauf.
    »Das sind ja wir, du, Milena und ich, im Sommer, auf dem Großen Markt. Wer hat uns da aufgenommen und warum?«
    »Das ist im Augenblick gar nicht so wichtig«, antwortete Tamar. »Sage mir lieber, was du da anhast.«
    »Einen Blouson hab ich an. Warum fragst du? Du hast das Teil, glaub ich, nicht leiden können.«
    Tamar antwortete nicht, sondern zeigte ihr das zweite Foto. Hannah nahm es, fast gleichgültig. Tamar trat einen Schritt zur Seite, als erwarte sie, Hannah würde ihr das Bild auf der

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