Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
ist er?“
„Er ist letzte Woche ein Jahr alt geworden“,
schluchzte Nella.
„Ist er dein Kind?“ Bisher hatte er das Baby für ein
weiteres Mitglied von Junipers Geschwisterschar gehalten.
Sie nickte, und dann weinte sie noch lauter los. „Eske
ist weg, und jetzt geht es Piro auch noch so schlecht! Kannst du irgendwas für
ihn tun? Bitte, du musst ihm einfach helfen!“
„Seit wann ist er denn krank?“
„Seit vorgestern. Er spuckt alles aus, und heute hat
er nicht mal mehr was getrunken! Gestern Abend auch schon nicht mehr!“
„Stillst du ihn noch?“
„Was ist das denn für eine Frage – Männer fragen so
was nicht – und ich sag’s noch mal: Männer haben hier überhaupt nichts
verloren!“, fuhr Jakobe hinter ihnen auf.
Aber Nella nickte. „Ja, aber er will nicht mehr
trinken! Ich glaube, er ist zu schwach!“
James hoffte inständig, dass das nicht der Fall war.
Eine Infusion konnte er ihm ja nicht legen. „Was habt ihr ihm denn gegeben? Pix
sagte was von Kräutern –“
„Jakobe hat ihm –“
„Tee!“, fauchte Jakobe. „Ein bisschen warmen Tee aus
Fenchel und Anis! Genau das Richtige in so einem Fall!“
„Er muss trinken. Das ist das Wichtigste“, bestätigte
James. „Er ist so schwach, weil er ganz ausgetrocknet ist, und das verkraften
Babys nicht. Hast du – äh, hast du denn noch genug Milch?“
Jakobe zischte wie eine Schlange, aber Nella nickte
wieder. „Daran liegt es nicht. Eher zu viel“, schluchzte sie. „Er kann sie ja
nicht trinken. Er hat Schmerzen! Ich weiß das! Ich fühl das doch!“
James hielt das auch für wahrscheinlich. Was nun? Was
konnte er tun, ohne die geringsten Behandlungsmöglichkeiten? Er konnte ja nicht
einmal eine vernünftige Diagnose stellen. Er tastete den Bauch des Kindes ab
und versuchte dabei, sich alles ins Gedächtnis zu rufen, was er über kranke
Kinder wusste. Das war sehr wenig, und über dieses Wenige fielen auch noch die
Schatten einiger Schreckgespenster. Blinddarmentzündung zum Beispiel. Aber die
bekamen so kleine Kinder eher selten, und der Kleine schien auch nicht
druckempfindlich zu sein. Weil er vielleicht schon zu schwach ist, flüsterte Schwester
Chudderleys Stimme in James’ Kopf.
„Fieber hat er jedenfalls nicht. Was hat er denn
gegessen? Er kriegt doch schon feste Nahrung, oder?“
Nella sah mit tränennassem Gesicht zu Jakobe auf. „Ich
weiß nicht! Tagsüber ist er ja oft bei Jakobe, wie die anderen Kinder … ich
weiß nicht, was …“
„Er hat nichts anderes gegessen als sonst!“, erklärte
Jakobe, und der Blick, mit dem sie James jetzt begegnete, war dunkel vor Zorn.
„Zemmes. Brühe. Manchmal ein bisschen Gemüse. Ich brauch keinen Hakemi, der mir
erklärt, wie man Kinder versorgt!“
Aber ich, dachte er und versuchte sich zu erinnern,
was seine Mutter getan hatte, wenn er oder seine Brüder krank gewesen waren. Es
war ein Fehler gewesen, überhaupt mit Pix mitzugehen. Diese Jakobe wusste mit
Sicherheit dreimal mehr über kranke Kinder und deren Behandlung als er.
„Er muss unbedingt wieder trinken“, wiederholte er
lahm. „Leg ihm ein warmes Tuch auf den Bauch. Pack ihn gut ein, Tücher, Decken
und so weiter. Dann gehst du mit ihm an die Luft, nach draußen. Es ist viel zu
warm hier und zu stickig.“
„Kalte, feuchte Luft ist viel gefährlicher für kleine
Kinder!“, protestierte Jakobe.
Dass ihm auch noch diese Frau auf den Füßen stehen
musste! Er sah Nella an und versuchte, so eindringlich und vertrauenerweckend
wie möglich zu klingen. „Solange du ihn dabei warmhältst, ist das besser als
hier drinnen.“
„Ich mach, was du sagst! Aber wenn er nicht trinken
will? Wenn er nicht kann? Weil er Bauchweh hat?“
Und da hatte er plötzlich eine Eingebung. Seine
Kopfschmerztabletten – das gute alte Ibuprofen! Die Packung, die er erst in die
neue Westentasche, später dann in die neue Hosentasche gestopft hatte! Da
steckte sie glücklicherweise immer noch, zerdrückt zwar, aber sie war da. Im
Licht dieser Lampe, in dieser Umgebung sah der bedruckte Tablettenstreifen
vollkommen absurd aus. Wie war das noch … durfte man so kleinen Kindern dieses
Zeug überhaupt geben? Wenn er eine halbe Tablette in Jakobes Tee auflöste …
eher noch weniger … Aber wenn der kleine Kerl wirklich krank war, half ihm das
hier auch nur kurzfristig –
Er drückte eine Tablette aus der Folie und hielt sie
Nella hin. „Das hier hilft gegen Schmerzen.“ Plötzlich sah er sich selbst, wie
er hier stand
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