Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
Aruza, jetzt
fiel ihm der Name wieder ein, Aruza und nicht Nella! – kam ebenfalls an die Tür
und sah ihm zweifelnd entgegen.
„Pix sagt, er ist ein Hakemi!“, erklärte Jakobe. „Hör
mal, wir brauchen hier keinen Hakemi – nichts für ungut, aber ihr seid doch
alle nur Pfuscher. Männer und Kranke – das hat noch nie zusammengepasst, und
daran –“
In diesem Moment tauchte ein drittes Gesicht hinter
den beiden Frauen auf, und James erkannte Junipers Schwester, die größere – das
war Nella, na klar! Sie war ungefähr so alt wie Pix, und im Gegensatz zu der
war sie wirklich knusprig, wie er schon zwei-, dreimal festgestellt hatte, wenn
er sie auf dem Marsch oder beim Essen am Feuer gesehen hatte. Jetzt sah ihr
Gesicht unter dem Wust ihres langen, hellbraunen Kraushaars allerdings völlig
verheult aus.
„Geh wieder nach hinten, Nella, sonst kriegt er noch
die Zugluft ab“, sagte Jakobe.
„Wer ist da? Ein Hakemi? Etwa aus der Stadt hier?“
„Nein, es ist nur einer von den Krampern. Der Blonde.
Pix behauptet, er ist ein Hakemi, aber –“
Da drängte sich das Mädchen zwischen den beiden Frauen
durch, und jetzt sah er das Tücherbündel, das sie fest an sich gepresst hielt.
„Wirklich? Oh bitte, dann guck dir meinen Piro an! Er ist so krank!“
„Nella! Das ist ein Mann! Ein Fremder! Wir wissen
nichts über ihn!“
„Das ist mir egal! Komm rein, bitte! Hier, das ist
mein Piro, und er – er weint nicht mal mehr!“ Und dann zerrte sie ihn
tatsächlich in den Wagen hinein, vorbei an den beiden anderen Frauen.
Es war das erste Mal, dass er einen der richtigen Wohnwagen
betrat – der Gilwisselwagen war ja mehr ein Geräteschuppen auf Rädern. Der
Eindruck drangvoller Enge war hier aber sogar noch stärker, vielleicht auch
wegen der Gluthitze, die ein bullernder Herd verströmte. Die Wäschestücke, die
über ihm zum Trocknen aufgehängt waren, sorgten zusammen mit dem siedenden
Inhalt eines schwarzen Kessels dafür, dass man kaum atmen konnte. Ein Tisch,
zwei Bänke, mehrere überquellende Regalkästen, die schief an die Wände genagelt
waren, Töpfe, Pfannen, Kannen, Netze mit Gemüse und Obst, die von der gewölbten
Decke herabhingen – all das drängte sich in der vorderen Wagenhälfte. Am Tisch
unter dem fest geschlossenen Fenster saßen Junipers kleine Geschwister, Rula
und Allem, und spielten mit bunten Steinen. Neben ihnen hockte eine uralte
Frau, die sich gerade einen Zug aus einer Flasche gönnte. Die hintere
Wagenhälfte war mit Vorhängen aus buntem Webstoff abgetrennt, und darauf eilte
Nella jetzt mit zwei entschlossenen Schritten zu.
„Nella! Du kannst doch nicht –“
„Wo soll ich ihn denn hier hinlegen? Etwa zwischen die
Würfel und Rhondas Weinflasche da auf den Tisch?!“, keifte Nella, schlug die
Vorhänge mit Schwung auseinander und verschwand dahinter. Er folgte ihr, weil
sie das offenbar erwartete. Hier hinten befanden sich die Schlafplätze der
Familie. Eine Lampe aus grünem Glas beleuchtete ein Bett mit Vorhängen ringsum,
das fast die ganze Breite des Wagens einnahm; daneben befanden sich auf einer
Seite zwei Schlafkojen übereinander und darüber noch eine Hängematte, alles mit
diesen farbenfrohen Stoffen bedeckt, aber beklemmend eng und ungelüftet. Hier
war es nicht ganz so heiß, aber es stank nach vollgekotzten Klamotten,
schmutzigen Windeln und selten gewaschenen Körpern. Und jetzt drängten sich
auch noch Jakobe und Aruza herein.
„Nella! Hier haben Fremde nichts verloren!“
„Piro braucht Hilfe! Und dein Tee hat ihm nicht
geholfen!“
„Das braucht Zeit! Gib mir –“
„Lass sie, Jakobe“, mischte sich Aruza erstmals ein.
Sie war bestimmt die Tochter des Chefs, denn sie hatte die gleichen blassblauen
Augen wie er.
Nella lockerte endlich den Griff, mit dem sie das
Bündel an sich gedrückt hatte, und legte es behutsam auf der unteren Schlafkoje
ab. Dann kauerte sie sich daneben und sah erwartungsvoll zu James auf. Er ging
ebenfalls in die Knie. Einen schrecklichen Moment lang war er sicher, dass das
Baby, so reglos, wie es dalag, schon tot war. Unsicher schlug er die Tücher
auseinander und war erleichtert, als das Kind ein schwächliches Quäken von sich
gab. Das kleine Gesicht war blass und wie eingeschrumpft, unter den Augen lagen
dunkle Schatten. Aber trotz Krankheit hatte der kleine Junge noch ordentlich
Babyspeck an sich.
„Kannst du ihn gesund machen?“
„Ich muss erst mal wissen, was ihm fehlt. Sag mir was
über ihn. Wie alt
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