Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
gerettet“, fuhr Nicholas Montagu im selben Ton fort. „Dafür stehen wir
alle in deiner Schuld, und ich ernenne dich hiermit offiziell zum Hakemi dieser
Truppe, solang du bei uns bist.“
Oh mein Gott !, dachte James.
„Und wir finden, dass dir ein erster Lohn zusteht“,
sagte der Chef und hielt – ein Paar Schuhe in die Höhe. Ein winziges Grinsen
spielte dabei um seine Mundwinkel. Von der Truppe gab es Beifall und Gelächter,
als er James die Schuhe überreichte.
James bedankte sich, und das kam von Herzen. Er konnte
es kaum erwarten, die zerlumpten Sneakers endlich loszuwerden. Die schlappende
Ersatzsohle scheuerte nicht nur, sie gab einem auch das Gefühl, der letzte
Penner zu sein.
„Dank auch von uns“, erwiderte Montagu mit einer
kleinen Verbeugung. „Wir haben weiter beschlossen, dass dir die Strafe fürs
Fehlen zur Hälfte erlassen wird. Du hast kein Geld, musst Firn also nichts
bezahlen. Aber bei der nächsten Aufführung gehst du leer aus.“
Damit konnte er leben! Schuhe hatte er ja jetzt. Er
beeilte sich, seine Latschen gegen die geschnürten, knöchelhohen Halbstiefel zu
tauschen. Sie unterschieden sich nicht von den Schuhen, die alle hier trugen,
aber sie passten ganz genau, und er war fast sicher, dass Brogue seine Ersatzschuhe
doch noch hatte rausrücken müssen. Dafür sprach auch der böse Blick, den Brogue
ihm vom Kutschbock schräg gegenüber zuwarf.
„Und jetzt los!“, beendete der Chef seine Ansprache. „ Stagatro
ruma !“
Auf diesen Ruf hin – der so etwas wie „gute Fahrt“ bedeuten
mochte – zogen die Tretschlepper und hinter ihnen die Ponys an.
8. Auf Messers Scheibe
1
Die
Straße war nicht gepflastert, sondern von unzähligen Wagen im Lauf der
Jahrzehnte – oder vielleicht auch Jahrhunderte – festgefahren worden. Auf dem
hartgebackenen Lehm staubte zwar eine Schicht feingemahlenes Geröll, aber nach
den Bergpfaden der letzten Tage war es fast schon Urlaub, hier zu fahren. Das
Beste war, dass es keine Steigungen mehr gab – der Weg war eben oder führte
sogar kaum merklich bergab. Trotz Müdigkeit fühlte sich James an diesem Morgen
richtig gut, und das zum ersten Mal, seit es sie hierher verschlagen hatte. Er
hatte einen Patienten über den Damm gebracht. Er war nicht länger der hilflose
Kramper, der zu gar nichts nutze war. Und er hatte endlich neue Schuhe.
„Guten Morgen, ihr! Wollt ihr Makave?“ Neben dem
Galiziak war Haminta mit einer großen Blechkanne aufgetaucht.
„Klar.“ Juniper langte hinter sich, wo die Becher an
einer Querstrebe hingen. Auch James ließ seinen Becher füllen, der wie Holznapf,
Löffel und Messer und der Schlafsack aus Gilwisseldecken Teil der
Grundausstattung war, die Jakobe ihnen am Abend ihres ersten Reisetages
ausgegeben hatte (auf sein Drängeln hin hatte sie sogar etwas aufgetrieben, das
man mit ein bisschen gutem Willen als Zahnbürste verwenden konnte). Er hatte
schon raus, wie man auch beim Treten heißen Makave trinken konnte.
Haminta lächelte ihm zu, ein Lächeln, das an ihr
nächtliches Gespräch anknüpfte. „Piro sieht schon wieder ganz gesund aus“,
sagte sie. „Bei der nächsten Rast stehen die Leute wahrscheinlich Schlange bei
dir, James.“
„Besser nicht! Hör mal, vielleicht lässt du hier und
da eine Bemerkung fallen, dass das mit dem Baby nur Glück war … ich bin nur ein
Anfänger!“
„Nee, nee, du! Du bist jetzt der Hakemi, und so was
hatten wir noch nie. Also, bis später!“
„Die ist scharf auf dich!“, erklärte Juniper, als
Haminta zum anderen Galiziak weiterging. „Ist ja ’n Witz – John versucht
nämlich schon seit Jahren sie zu verheiraten, und sie hat jedes Mal ’nen
Aufstand gemacht … aber auf dich –“
„Was für ’n Blödsinn! Pass lieber auf, dass du nicht
aus dem Tritt kommst!“
„Blödsinn? Hast du nicht gehört, wie sie dich
angeredet hat … James !“, flötete er.
„So heiß ich nun mal.“
Er ließ Juniper weiter herumgackern, schob den
Gedanken an Karen beiseite, den das Gerede automatisch wachgerufen hatte und
von dem er dringend eine Pause brauchte, und dachte stattdessen über die Frauen
hier nach, von denen er bis gestern nicht viel mitbekommen hatte. Die Männer
kannte er inzwischen alle mit Namen, sogar William, den alten Onkel des Chefs,
der den ganzen Tag hinten auf dem balkonartigen Vorsprung von Brogues Wagen
saß, Pfeife rauchte und in alle Richtungen tabakbraune Spucke und gute
Ratschläge verteilte, wobei zahllose unverständliche
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