Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
Straße
erstreckte und ihnen nach all der Zeit auf der staubigen Trukantagyja wie eine
Oase erschien. Es gab dort Gras und sogar ein paar Bäume, dank eines Bachs, der
durch das Tal mäanderte.
„Das ist Skandrosi. Klein, aber fruchtbar“, sagte
Montagu. „Fendurnen erreichen wir morgen auch von hier aus.“
„Ach – warum denn jetzt schon halten?“, meckerte
Stanwell. „Wir haben noch mindestens vier Stunden bis zur Dämmerung! Bis zu
diesem Bukrasi können wir es bestimmt noch schaffen!“
„Sicherheit, Stanwell. Das ist das Stichwort. Kein
unnötiges Risiko mehr. Und außerdem sollten wir heute auch noch ein bisschen
Geld einnehmen. Die Länderbrücke hat ein großes Loch in die Kasse gerissen“,
erwiderte Montagu. „Also los jetzt, runter von der Straße!“
„Sicherheit?“, hörte James Kriope murren. „Ich seh da
nicht mal einen Gelichterzaun!“
Aber das Wort des Chefs war nun mal Gesetz, und
deshalb bog die Truppe für diesen Abend erstmals von der Trukantagyja ab und
zockelte neben dem Bach durch das Tal. Die Gilwissel waren so entzückt von dem
Gras, dass man sie weiterzerren musste, und die Kinder rannten an der
Bachböschung entlang und jagten Frösche und kleine Fische im Wasser. Die
anderen machten Pläne für das Abendessen, für ein ausgiebiges Bad im Bach und
eine nette kleine Vorstellung im Dorf – natürlich mit guten Einnahmen. Kriope
und Stanwell waren die Einzigen, die lieber weitergezogen wären.
Die Ernüchterung kam bald genug. Das Skandrosi, das
der Chef und seine Frau noch gekannt hatten, gab es so nicht mehr. Statt einer
Umzäunung markierten einige morsche Holzpfähle die Grenze des Dorfes. Die
Fängernetze auf den Pfählen waren voller Löcher und Unrat. Was man beim
Näherkommen vom Dorf sehen konnte, passte zu diesem ersten Eindruck: Viele
verlassene Häuser, dem Verfall preisgegeben, dazwischen erinnerten noch ein
paar gut gebaute Lehmziegelhäuschen mit Gärten und Ställen an bessere Zeiten,
sahen aber auch so aus, als seien die Bewohner mit der Instandhaltung
überfordert.
Sie hielten auf der Wiese vor dem Dorfeingang, während
der Chef mit John loszog, um mit dem Winkelmeister wegen Lagerplatz und
Vorstellung zu verhandeln. Da es zum Ausspannen noch zu früh war – sie wussten
ja noch nicht, wo sie lagern würden – gab es nicht viel zu tun. Die Gilwissel
durften endlich grasen und bekamen frisches Wasser, das Jakobe und Horgest in
Eimern holten. Die anderen setzten sich einfach ins Gras.
„Kümmerliches Kaff! Dabei sieht doch alles so grün aus
hier!“, wunderte sich Juniper, der Mapoosa eine Auswahl frischer Zweige
gebracht hatte. „Als wäre die Hälfte der Bewohner ausgewandert.“
„Vielleicht sind sie ja gestorben. An einer Seuche
oder so“, meinte Firn. Er lag im Gras und schnappte Mapoosa einen der Zweige
vor der Nase weg, um selbst darauf herumzukauen.
„Sind sie nicht“, mischte sich Kriope unerwartet in
ihr Gespräch. „Wird hier sein wie überall in Orolo. Wir Treibser gehen. Wenn
wir Glück haben, kriegen wir Arbeit im Norden. Den übrigen macht man klar, dass
sie im Süden besser dran sind. Weil da ja ihre Verwandten leben. Und weil sie
von da herkommen.“
„Wer macht das klar?“
„Die anderen. Die Valdannen. Lächerlich ist das! Die
meisten von uns leben seit Generationen hier. Aber es ist klar, was dahintersteht
–“
„Nämlich?“
„Na, ihr habt doch sicher auch gehört, dass schlimme
Zeiten kommen! Seit der Mond größer wird, schreien sie es ja überall rum.
Diesmal soll ein Vulkan im Süden ausbrechen und alles zerstören. Die Valdannen
wollen nicht teilen, wenn es soweit ist, versteht ihr? Da ist ihnen eingefallen,
dass die Treibser ja eigentlich gar nicht hierhergehören. Sie wollen nicht auch
noch Treibgut durchfüttern, das ist doch ganz klar!“
„Ich glaub, du bist ’ne ganz schön saure Frau“, sagte
Horgest und lachte. „Von dem Quatsch hab ich noch nie was gehört.“
„Wirst du noch“, erwiderte sie kurz und warf den
Striegel, mit dem sie ihrem Gilloc den Staub aus dem Fell gebürstet hatte, auf
den Wagen zurück. Ihr kleiner Junge hatte eben herausgesehen, sich aber sofort
wieder ins Wageninnere zurückgezogen, als Haminta ihm zuwinkte.
Jetzt wandte sie sich an Kriope. „Und du? Was hast du
vor?“
„Ich hab einen Schwager, in einem Bergdorf jenseits
von Kebernett. Mal sehen, ob’s da besser ist.“
James hatte die Schuhe ausgezogen und streckte die
Zehen genüsslich ins Gras. Durch seine
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