Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
Röntgenaufnahmen, Infusionen und Blutkonserven,
von Infektionsgefahr und inneren Verletzungen, schnitten sie die Kleidungsreste
vom Körper der Verletzten, wuschen vorsichtig Blut und Schlamm herunter und
redeten die ganze Zeit tröstend auf sie ein, beruhigten sie, reagierten auf ihr
Stöhnen – schreien konnte sie nicht mehr. Sie hatten sogar für den geschockten
Dionyssu ein paar freundliche Worte. Während er selbst daneben stand und sich
immer noch auf etwas zu besinnen versuchte, das hier helfen konnte.
„Wir haben sie jetzt mit einem Aufguss aus
Nittichwurzel gewaschen“, wandte sich Haminta schließlich an ihn. „Den
verwenden wir bei Verletzungen immer, er reinigt und heilt, und er stoppt auch
das Bluten.“
„Was erklärst du dem Hakemi sein Geschäft?“, mokierte
sich Jakobe. „Meinst du, er wüsste das nicht selbst, hm?“
Haminta lächelte ihn entschuldigend an. „Vielleicht
kennt er sich mit Peregrini-Heilmitteln aber noch nicht so gut aus.“
„Damit könntest du Recht haben … also, Hakemi, wenn du
nichts dagegen hast, werden wir jetzt die Wunden mit einem Balsam aus der
Nittichwurzel behandeln und dann verbinden.“
Nittichwurzel? Nie gehört. Er war ohnehin nicht
besonders gut in Botanik, und wer wusste schon, wie die hier die Pflanzen
benannten! Der Duft, der den Wagen durchdrang und beinahe den Moder-und-Kawurassi-Gestank
vertrieb, erinnerte ihn an – an Arnika vielleicht, ein bisschen – darunter war
aber noch ein bitterer, schwerer Geruch, den er überhaupt nicht kannte.
„Wir machen das immer so“, wiederholte Haminta sanft,
als er nicht antwortete, „es ist wie die Gilwisselsalbe für die Ponys – wir
haben nicht so viele Heilmittel wie ein Hakemi, aber Verletzungen gibt es oft,
dafür muss man was haben.“
„Und das könnte dir hier jeder sagen“, fügte Jakobe
hinzu. „ Jeder !“
Am Ende verband er ihre Hände, das war alles. Man
hätte das nähen müssen oder klammern. Man hätte die durchtrennten Sehnen
flicken müssen – aber es gab nun einmal nichts. Man hätte auch etwas für ihren
zerschlagenen Kopf tun müssen – mehr, als irgendeinen Balsam draufzuklatschen.
Er ließ die Finger so vorsichtig wie möglich über ihren Schädel gleiten und
meinte an mindestens zwei Stellen ein Nachgeben des Knochens zu spüren. Sie lag
jetzt ganz still, beide Augen waren geschlossen. Ihr Gesicht, vom Dreck
befreit, war grotesk verfärbt und geschwollen. Was konnte er tun?! Er würde sie
sterben lassen müssen. Und wenn ihr dieses Nittich-Zeug die letzten Stunden
erleichterte, dann musste man zufrieden sein.
Jakobe hatte alles, was er tat, mit misstrauischen
Augen verfolgt. „Was hat sie da draußen gewollt?“, fragte sie schließlich.
„Ja, das würde ich auch gern wissen!“
Sie sahen sich um. Unbemerkt war der Chef in den Wagen
gekommen. „Firn hat mir das hier gegeben“, sagte er und hielt die Garotte hoch.
„Ich weiß, wer so was verwendet. Was hatte sie mit denen zu schaffen?“
„Sie wollte mit den beiden Männern von gestern Abend
reden“, brachte James hervor – vor lauter Wut und Verzweiflung über seine
Hilflosigkeit bekam er kaum die Zähne auseinander. „Sie wollte an die Schlepper
heran. Das hat sie gesagt, als ich gestern noch nach ihrem Schwiegervater
gesehen habe. Ich glaub, sie hat ihr Geld mitgenommen – wollte unbedingt ihre
Familie in Sicherheit bringen!“
„Du denkst also auch, dass es die Kerle waren, die uns
heute Nacht überfallen haben? Und die zweifellos vom ehrenwerten Ska Jones
angeheuert waren? Kein Gelichter?“
„Gelichter?!“ Er spuckte das Wort beinahe aus. „Gibt’s
hier Gelichter, das Menschen die Handsehnen durchschneidet?! Und ihnen das Geld
abnimmt? Den Geldbeutel haben sie ihr in den Mund gestopft! Von dem Geld war
nichts mehr da. Und gestern Abend hatte sie noch ’ne ganze Menge!“
„Sieh einer an“, sagte Jakobe. „Und uns hat sie die
ganze Zeit die Arme vorgespielt!“
„Was musste sie sich mit diesen Leuten einlassen!“,
knurrte Montagu. „Hör zu, Hakemi – wenn du hier fertig bist, kommst du mit mir
in die Stadt. Du bist ein Zeuge. Das ist ein Verbrechen, und wir werden das
melden!“
„Aber Nicholas – ist das nicht gefährlich? Seit wann
können Peregrini einfach Recht einfordern? Willst du das riskieren, noch dazu
für eine, die nicht mal zu uns gehört?“
James konnte Jakobe mit jeder Sekunde weniger
ertragen. Montagu antwortete gar nicht, er sah James an.
„Ich komme mit.“ Er
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