Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
noch dazu. So ziemlich das Aufregendste, das er je gemacht hatte. „Das
Fliegen war – war unglaublich. Aber als Transportmittel ist ein Ballon nicht
zufriedenstellend. Nicht lenkbar, zu langsam, viel zu abhängig vom Wind. Mit
sechzehn hab ich dann versucht, einen großen Ballon mit einem Motor zu kombinieren
wie dem, den ich für den Wagen gebaut hatte. Etwas, womit man den Ballon
antreiben und lenken kann, während der das Ganze in der Luft hält.“
Sie nickte und sah ihn aufmerksam an. „Ist er
geflogen?“
„Dazu kam es gar nicht. Als Oona – meine Großmutter,
bei der ich aufgewachsen bin – meine – äh, Baustelle entdeckte, ist sie fast
umgefallen. Kurz gesagt, sie hat mich überzeugt, alles wieder
auseinanderzunehmen und auf keinen Fall damit zu fliegen.“
„Was? Wieso das denn?“
„Sie meinte, dass Ghist davon erfahren würde.“
Schwierig, das jemandem verständlich zu machen, der nicht hier aufgewachsen
war. „Ich … ich wollte nicht von denen kassiert werden, verstehst du. Sie
erklärte mir, dass Ghist sich überall einmischt, wo es um spektakuläre neue
Entwicklungen geht. Dass immer wieder Leute verschwunden sind, die sich zu weit
vorgewagt haben. Na ja – das hat mich überzeugt.“ Der bloße Gedanke ans
Eingesperrtsein verursachte ihm ein Gefühl wie Eissplitter im Magen. „Ich
wollte nicht auf Nimmerwiedersehen in Ghist verschwinden.“
„Und du hast es nie wieder versucht?!“
Das verstand sie nicht, klar. Aber sie hatte auch
bestimmt noch nie zusehen müssen, wie einer hingerichtet wurde, den die Arbiter
verurteilt hatten. Sie hatte man bestimmt noch nie ohnmächtig von einem
Richtplatz tragen müssen.
„An den Plänen habe ich immer wieder weitergearbeitet.
Aber man muss auch Modelle bauen, ausprobieren können. Das braucht Platz und
Zeit und Material. Mit der Anstellung bei Emberlend werde ich das jetzt alles
bekommen.“
Falls die mich noch wollen, wenn ich so viel später
als erwartet bei denen antanze, fügte er in Gedanken hinzu.
Sie sah ihn an, als hätte sie seine Gedanken gehört.
„Dann sollten wir uns wohl beeilen“, sagte sie und stand auf. „Damit du uns
bald los bist und dich um deine Flugschiffe kümmern kannst.“
„Kate … ich glaub nicht, dass wir in Derbillu etwas
finden werden. Besser, du hoffst nicht darauf.“ Sikka , sie tat ihm auch
noch leid. Alle vier taten ihm leid. Und er selbst tat sich auch leid.
3
Jenseits
des Keberpasses waren sie erwartungsgemäß von Regen empfangen worden, wahren
Regengüssen, die gegen die Felsen schlugen und schon durch die Seitenfenster in
den Wagen spritzten, bevor er die Läden schließen konnte. Dabei blieb es schwül
und wurde immer drückender, als die Fenster erst einmal verschlossen waren.
Kebernett, auf seinem Felsenteller vor dem Bult thronend wie eine fette Spinne
in ihrem Netz, war durch diesen grauen Vorhang kaum zu erkennen. Während sie
auf der alten Karawanenstraße weiter nach Norden fuhren, war das Getrommel auf
dem Wagendach so laut, dass man sein eigenes Wort nicht mehr verstand.
Zwischendurch rollte immer wieder ohrenbetäubender Donner über die Berge.
Kebernett-Wetter. Bei zwei von drei Besuchen in dieser Ecke des Landes war es
so.
Erst als sie schon eine halbe Stunde auf der
Trukantagyja unterwegs waren, ließ der Regen nach. Da konnte man Kebernett
gerade noch in der Ferne sehen. Er hatte immer gefunden, dass die Stadt etwas
Finsteres an sich hatte. Die spitzen, düsteren Säulen, die vielstöckigen,
rechteckigen Häuserkästen, die die wuchtige Stadtmauer überragten, ließen einen
an Gefängnisse denken und an Hinrichtungen irgendwo auf den steinernen Plätzen
dazwischen. Dabei war Präfekt Oswiu, den er ja nun persönlich kennengelernt
hatte, kein blutrünstiger Tyrann. Man kam der Wahrheit wohl am nächsten, wenn
man sagte, dass er die Vorzüge seiner Stellung genoss und weiterhin genießen
wollte und deshalb mit harter Hand die Ordnung in seinem Land durchsetzte – das
ihn darüber hinaus wenig interessierte.
Kate hing aus dem Seitenfenster und sah zurück. „Warst
du schon oft dort?“
„Als Kind mindestens einmal im Vierteljahr, wenn unser
Verwalter zum Markt fuhr. Da, siehst du das?“ Ein flüchtiger Sonnenstrahl ließ
gewaltige silberfarbene Standartenaufsätze auf einem hohen Gebäude aufblinken. „Das
ist die Kaserne der Gelichtergarde. Als ich zehn, elf war, wollte ich unbedingt
da aufgenommen werden. Und als jüngster Gelichterjäger überhaupt in
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