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Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)

Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)

Titel: Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
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ausgerastet war. Kamen noch die Hitze, der Stau, die dauernden
Stolperfallen dieses Tages dazu – nein, sie hatte ihm den Wutausbruch nicht
übelgenommen. Aber danach musste auf jeden Fall er entscheiden, ob er mit ihr
nach Orolo oder ohne sie nach Orchrai fahren wollte. Also hatte sie sich da
oben auf diese Brücke gesetzt und die Sache dem Schicksal überlassen – oder
Racht, um es mit seinen Worten zu sagen. Aber sie hatte wirklich gehofft, dass
er sie finden würde. Er hätte ihr gefehlt. Sie hätte ihn vermisst.
    Der andere Weg wäre de Braose gewesen, der Mann aus
Ghist, den sie nachmittags im Hafen wiederentdeckt hatte. Auf welche Weise sie
sich an ihn gehängt hätte, das wusste sie nicht so genau. Aber sie wäre ihm
aufs Schiff gefolgt, und da hätte sich schon etwas ergeben, in dessen Verlauf
sie von ihm Genaueres über Wege nach drüben in Erfahrung gebracht hätte,
da war sie sicher. Die Art, wie de Braose sie angesehen hatte, als er aus
Dorians Wagen gestiegen war – die kannte sie. Und sie wusste auch, wie man
daraus seinen Vorteil schlagen konnte.
    Trotzdem – gut, dass Dorian auf die Brücke gekommen
war.
    Er war einer von der Sorte, die sie mit heimlicher
Faszination beobachtete. Es war so spannend, das Eigentümliche an einem
Menschen zu entdecken, das, was er von sich preisgab, ohne es zu wissen. Bei
Dorian waren es die Hände, diese Hände, die eine Fremdsprache sprachen. Sie
hatte ihn beobachtet, wie er schrieb, wie er seinen Wagen fuhr, wie er mit
Geräten hantierte, wie er aß – alles mit links, mit dieser überraschenden,
manchmal komischen Selbstverständlichkeit. Die Rechte nur ein stummer Helfer
der ausdrucksvollen Linken. Wie er es zu überspielen versuchte, wenn er sich
beobachtet fühlte, in dem Wissen, ein Einzelner zu sein, dessen hässlicher
Dialekt sich im Meer der Hochsprachler ringsum nur allzu schnell verraten
würde. Dieser Bruch zwischen seinem ruhigen und ganz bestimmt angemessenen
Selbstvertrauen und den wütend-verunsicherten Zweifeln an einer Umwelt, die
glaubte, seine Fähigkeiten, seinen Wert besser beurteilen zu können als er
selbst – das fand in seiner Händigkeit einen beinahe kunstvollen Ausdruck.
    Und jetzt saß er also da und starrte schon eine halbe
Stunde geradeaus aus dem Fenster. Sang nicht, pfiff nicht, trommelte nicht auf
der Ablage herum. Die Linke ruhte schweigend auf dem Vogelkopf des
Steuerknüppels, die Rechte lag reglos auf dem blauen Teppich, der die Bank
bedeckte. Er hatte einen Schock, ja? Küsste man hier anders? Vielleicht
bedeutete Erwiderung hier eine klare Aufforderung zu mehr? Oder war es der
Gedanke an die Frau, mit der er verheiratet war – wie immer dieser Gedanke auch
aussehen mochte?
    Es war nicht gerade ein Macho-Kuss gewesen, eher ein
zaghafter, ein sacht-süßer Kuss, wie sie ihn von diesem reizbaren,
aufbrausenden Mann gar nicht erwartet hätte. Jedenfalls nicht als erste
Berührung. Seine Verwirrung … und wie er über den Hut gestolpert war … Das
alles hatte ihr mehr von ihm gezeigt – und Dinge, die einen warnen sollten,
dass hier mehr und Komplizierteres im Spiel sein mochte, als sie wollte.
    Sie schloss die Augen, als sie daran dachte, wie sie
eben seine Haut, seine Wärme gespürt hatte. Wie sie für Sekunden ganz in seine
Nähe eingetaucht war. Die ganze Zeit über hatte sie versucht, das zu vermeiden.
Aber jetzt war sie in sein Gravitationsfeld geraten, und eben hatten sie den
kritischen Punkt überschritten, jenseits dessen an Entkommen nicht mehr zu
denken war. Jetzt beschleunigte seine Schwerkraft ihren Herzschlag, und alles
an ihm rief sie: seine Haut, sein Haar, die Schulter unter dem weißen Hemd und
dem antiquierten breiten Hosenträger, der Gedanke an seine Augen, die Erinnerung
an seinen Mund. Die Hände, die er jetzt zum Schweigen zwang, als wüsste er, wie
verräterisch sie waren. Wenn sie nicht gerade innerhalb der nächsten zehn
Minuten einfach aus dem Wagen stieg und wegging, dann würden sie
zusammenstoßen.
    Ahnte er, was er sich da einfing? Brütete er deshalb
jetzt vor sich hin?
     
    5
    Ich
muss hier raus!, dachte er. Ich
hätte das auf keinen Fall tun dürfen! Wie konnte ich nur so blöd sein? Was hab
ich mir dabei bloß gedacht?!
    Gar nichts. Es hatte ihn einfach überkommen. Genau wie
damals bei Danae Crooke. Mann, daran hatte er ewig nicht gedacht …
    Nicht denken. Einfach fahren und die Sache vergessen.
    Aber seine Gedanken, die er von Kate fernhalten
wollte, rächten sich, indem sie ihn in

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