Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
Schreibgenie und bildete sich sonst was ein
auf ihren Blog. Voll krass, oder? Ein Blog! Schließlich hatte die Welt auf
nichts so dringend gewartet wie darauf, dass Jaylee endlich bekanntgab, was ihr
Lieblingsessen war und welche Bücher sie gut fand und welche Filme Scheiße waren.
Mit bloßem Gelaber wurde die megabeliebt, weil die ganze Unterstufe den Blog so
witzig und cool fand. Dabei wusste sie nicht mal die Hälfte von dem, was Frida
wusste. Bloß dass Frida die entscheidende Sache eben nicht wusste …
„Meinst du, er würde vielleicht bei uns bleiben?“,
fragte Nella.
Hä? Wer jetzt?
„Carmino, mein ich. Und ihr auch, James und du.“
„Nä.“ Nur über ihre Leiche!
Es hatte gedauert, bis sie damals kapierte, dass da irgendwas
Schräges lief. Da waren ja immer genug Leute gewesen, die sie nicht leiden
konnten. Der reine Neid natürlich, und ihr außerdem scheißegal. Blöd angemacht
zu werden, das gehörte eben dazu. Wenn man was erreichen wollte, dann musste
man über so was drüberstehen. War auch so eine Weisheit ihres allwissenden
Vaters. Aber jetzt kicherten die auf einmal alle so blöd. Und sie wichen
ihr aus. Um es kurz zu machen: Sie war die Letzte an der Schule, die von Frag Frida! erfuhr. Ein Computer in der Online-Cafeteria der Schule, eine zufällig
aufgelassene Website – und sie hatte alles vor sich. Da war Frag Frida! schon seit mindestens zehn Tagen ein Hit, mit stetig steigender Klickanzahl. Nur
eine kleine Kolumne in Jaylees Blog, zu Anfang nur diese Scheiße über Frida
Frigida , dann immer mehr. Die besten Weisheiten „unserer zukünftigen
Premierministerin“, dazu echt gemeine Sachen: Fingierte Tagebucheintragungen
und Sprüche, die andere über sie abließen, alles aufgepeppt mit Karikaturen
(ein weiteres von Jaylees zweifelhaften Talenten) und Fotos – Schnappschüsse
wie der furchtbare aus dem Schwimmbad und wahnsinnig komische Fotomontagen,
haha. Klugscheißereien von ihr aus dem Unterricht, aus dem Zusammenhang
gerissene Bemerkungen und daneben dann irgendwelche peinlichen Szenen, die für
sich selbst sprachen und die Klugscheißerin demontierten. Da konnte jeder
nachlesen, dass Frida Frigida Angst im Dunkeln hatte, sich nicht die Beine
rasierte, spätestens nach der dritten Stunde schweißig roch, noch ungeküsst
war, aber beim Anblick von Mr Dent (dem Biologielehrer) ganz feucht wurde. Und
jede Menge mehr.
Das Schlimmste war: Das war ihr wahres Gesicht,
das ihr da entgegenglotzte. So sah sie aus . Das war das, was die anderen
sahen, wenn sie sie ansahen – nicht die coole, schlaue, ehrgeizige Frida, auf
die sie stolz gewesen war und auf die sie so einfach vertraut hatte. Sondern
dieses angeberische, fette, kindische Gör, das mit dreizehn eine
Anwaltskarriere plante. Das aber nicht mal mit Wimperntusche umgehen konnte
(grell peinliches Foto, das auch noch echt war), während ihre Mitschülerinnen
schon Frauen waren. Das alles wusste jetzt jeder. Auch Alan Dent.
Konnte man vor Scham sterben? Frida war jedenfalls
tot.
Inzwischen konnte sie sich kaum noch an diese elitäre
Kuh und ihre Gedanken und Gefühle erinnern, aber die Empfindungen jenes
Nachmittags waren immer noch frisch, die waren wie ein Tattoo in ihrer Seele.
Dieses Gefühl, augenblicklich und für immer von der Erdoberfläche verschwinden
zu müssen. Sich ausradieren zu müssen.
„Ich wünschte, ihr würdet bei uns bleiben“, sagte
Nella. „Mit Carmino könnte Stanwell die Pyramidennummer wieder aufbauen.“
„Klar. Und Rula könnte ihn heiraten. Und Sandrou
könnten sie ja dann adoptieren.“
„Was?“
Sie grunzte etwas. Wieso klebte sie jetzt an diesem
alten Scheiß fest? Eigentlich konnte ihr doch gar nichts Besseres passieren,
als jetzt hier zu sein. Weit weg von allem.
Damals hatte sie sich zuerst im Bett verkrochen und so
getan, als wäre sie krank. Dann hatte sie sich geweigert, in die Schule zu
gehen. Als gar nichts mehr ging, sagte sie ihren Eltern, sie sollten sich ins
Knie ficken – damals das Dreckigste und Unmöglichste, das ihr einfiel. Und dann
schloss sie sich in ihrem Zimmer ein. Das war der Anfang. Ein Supergefühl,
unverschämt zu sein! Einfach Nein zu sagen, jeden rotzigen Kommentar, der ihr
einfiel, auch tatsächlich loszulassen. Was konnten die ihr schon? Und wie die
an ihr verzweifelten! Wie konnte aus der netten, klugen Frida nur von heute auf
morgen der Problemfall Sterling werden? Sie konnten das alle gar nicht
verstehen. Echt herzzerreißend. Man wollte ihr doch
Weitere Kostenlose Bücher