Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
einer Hand klammerte sie sich an ihren Bruder, die
andere hielt sie um das Tragetuch gekrallt, aus dem Piro heraussah, nicht
weniger verstört als sie und ebenso stumm.
Der Anführer musterte Stanwell mit seinem kalten
Blick. „Der Stern von Montagu … ich glaube, das könnte sogar die Truppe
sein, die mein Vater jeden Herbst in Aubrelier auftreten lässt … Ein Rat von
mir, Inglewing: Überlass das Pack seinen Wegen und kümmere dich lieber um deine
eigenen Angelegenheiten!“
Dann ließ er sein Pferd antraben, und die anderen
folgten ihm, wobei sie die größtmögliche Menge an Staub aufwirbelten. Eine
Peitsche knallte seitlich gegen die offene Tür, traf aber niemanden. Hustend
warteten sie, bis man wieder etwas sehen konnte.
„ Kashadiu ! Das war Claude Gascoigne, der Sohn
des Präfekten von Maikonnen!“, rief Inglewing.
„Ich hab ihn auch erkannt“, nickte Stanwell und schubste
die reglose Nella auf die Bank. „Und er hat Recht. Im Herbst treten wir immer
bei denen am Hof auf.“ Und dann fing er übergangslos an zu brüllen. „Wie
konntest du so einen verdammten Mist machen und in diesem verschissenen Land
einfach abhauen, Nella?!“
„He – he, immer mit der Ruhe“, versuchte James ihn zu
beschwichtigen und zog Nella neben sich.
„Haben sie dir was getan?“, brüllte Stanwell weiter.
Sie schüttelte nur den Kopf und verzog das Gesicht.
„Ist mit Piro alles in Ordnung? Sikka , man
sollte dich durchprügeln!“
Die ganze Sorge der vergangenen Stunden – und
vermutlich auch das Schuldgefühl – schien jetzt auf einen Schlag aus Stanwell
herausplatzen zu wollen. Erleichtert, dass sie ihre Mission erfüllt hatten und
Nella in Sicherheit war, ließen sie ihn weiter herumzetern.
Inglewing wendete den Wagen. „Und jetzt auf nach
Membris! Wir müssen über den Japento-Weg zurück, aber ich wette, wir treffen
eure Leute trotzdem noch unterwegs an!“
Erst nach einer großen Portion Wasser aus der Kruke
war Nella so weit, dass sie berichten konnte. Sie sah dabei James an und nur
ihn, als wollte sie sich mit ihrem Blick an ihm festhalten.
Sie hatte das Lager tatsächlich verlassen, nachdem sie
nachts mit ihm gesprochen hatte. Keiner hatte etwas bemerkt, auch nicht, als
sie den Fänger von Inglewings Wagen nahm. Sie waren weit gekommen in der Nacht,
und bestimmt hätte sie es bis Tulsa geschafft, meinte sie, wenn sie gegen
Morgen nicht eine Rast hätte machen müssen. Bei der waren sie dann beide
eingeschlafen, Piro und sie auch. Sie war erst wieder aufgewacht, als die
Reiter schon überall um sie herum waren.
An diesem Punkt ihres Berichts begann sie zu
schlottern, und Stanwell brachte es endlich über sich, den Arm um sie zu legen,
und als hätte das einen Bann gebrochen, begann sie zu weinen. Sie schluchzte
und heulte und schniefte, jammerte, dass alles umsonst gewesen wäre, dass sie
Eske nicht einmal gesehen hätte, wollte wissen, ob der Chef und ihr Vater sehr
wütend auf sie wären, und warf ihrem Bruder im gleichen Atemzug vor, dass er
wegen des Besuchs in Tulsa hätte fragen sollen, dann wäre das alles gar nicht …
Und dann schlug das Drama in eine Groteske um, als die
Geschwister nämlich in einen wilden Zank ausbrachen. Eben hatten sie noch
Ritter, Rotten und Gelichter gefürchtet, hatten Entführung und Vergewaltigung
gedroht – jetzt hagelte es Vorwürfe und kindische Beschimpfungen von beiden
Seiten. Inglewing und Gerringer vorne auf der Fahrerbank tauschten vielsagende
Blicke.
„Du hättest ihn fragen können, ob er es erlaubt!“,
schrie Nella. „Du hättest mich begleiten können, es wäre nur ein kurzer Umweg
gewesen nach Tulsa! Bloß, weil du an nichts anderes mehr denkst als an deine
Hochzeit –“ Die Tränen zogen helle Spuren durch die Staubkruste in ihrem
Gesicht.
„Jetzt hör mit dem Gezeter auf, Nella! Mann, mir tut’s
schon leid, dass ich mich überhaupt entschuldigt hab! Reg dich endlich ab, du hast hier den ganz großen Blödsinn gemacht! Nachts allein in Orolo rumzurennen
– mit dem Kleinen noch dazu, du dämliche Gans! Wenn Eske das hört, dann kriegst
du die Schläge, die du verdienst!“
„Wer soll’s ihm denn erzählen, hä?“, kreischte Nella.
„Wo ihn doch keiner von uns besucht! Nicht mal Jujuna!“
„Falls du es vergessen hast: Er kommt in ein paar
Monaten frei, keverni !“, schnauzte Stanwell. „Und dann sag ich’s ihm
persönlich!“
„Spar dir deine Beschimpfungen, kupadanni ! In
Krai werd ich erst mal deiner Gahann die Augen
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