Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
nicht einmal
einen kleinen Weiler gesehen, wo man noch hätte suchen können. Es gab kein Grün
hier, kein Wasser, keinen noch so kleinen Bachlauf. Wann immer sie anhielten
und ausstiegen, hörten sie nichts als den Wind, und abgesehen von ihnen schien
die Welt verlassen zu sein. Die dunklen Felsspitzen, die den Verlauf der
Trukantagyja anzeigten, waren schon lange hinter ihnen im staubigen Dunst
versunken. Ringsum fing nichts den Blick auf, nicht einmal mehr einer von den
einsamen Japentobäumen. Nur dürre Ebene, rotbraun und manchmal grau, da, wo der
Wind das karstige Gerippe dieses Landes freigelegt hatte. Der Weg selbst war
nur an den Fahrrinnen zu erkennen, die viele Räder im Lauf der Jahre tief in
den Boden gekerbt hatten.
Stanwell versuchte es nicht zu zeigen, aber James
merkte, dass er allmählich die Nerven verlor. Die letzten Meilen waren sie
beide hinter dem Wagen hergegangen, um nichts zu übersehen. Jetzt hatte
Inglewing vor ihnen angehalten und öffnete die Wagentür.
„Wie weit ist es überhaupt noch bis Tulsa?“, fragte
Stanwell und nahm dankbar die Wasserkruke entgegen.
„Noch mindestens acht Meilen. Da hat jemand eurem
Mädchen Blödsinn erzählt. Das ist mehr als ein Wagentag von Tanterro aus.“
Stanwell fluchte, aber auch das ohne Nachdruck. In der
windflüsternden Weite versickerte seine Stimme einfach. Keiner wollte als
Erster aussprechen, dass ihnen nichts mehr einfiel. Keiner wollte als Erster
den Verdacht äußern, dass Nella sich entweder völlig verlaufen haben oder aber
von jemandem aufgegriffen worden sein musste.
„Sie könnte in einem Wagen mitgefahren sein“, meinte
Stanwell schließlich. „Vielleicht ist sie längst in Tulsa.“
„Wir können hinfahren“, bot Inglewing an. „Aber mit
dem Wasser wird es jetzt langsam knapp. Und seht ihr die Wolke da, im Norden?
Das könnte ein Staubsturm sein. So was gibt es hier ziemlich oft, und mein
Wagen hat damit so seine Schwierigkeiten.“
„Nein, nein!“, rief Gerringer. „Das ist kein
Staubsturm! Seht genau hin – da, habt ihr das Blinken gesehen? Sonnenlicht auf
Metall! Nein, dort sind Leute unterwegs – Reiter, wenn sie so eine Wolke
aufwirbeln können!“
„Doch nicht – die Wüsten Rotten?“
„Die sind zu Fuß unterwegs. Aber na ja … wenn sie so
richtig in Fahrt sind, dann rennen sie auch.“
„Oh Schweigender Herr!“, murmelte Stanwell. „Meinst
du, das sind welche von denen? Wie weit sind sie denn entfernt?“
„Fahren wir!“, entschied Inglewing.
Es dauerte nur eine Viertelstunde, bis sie auf frische
Spuren stießen, die der Wind noch nicht ganz verweht hatte: Hufe hatten den
Sand tief aufgewühlt – die Hufe von mindestens fünfzehn beschlagenen Pferden,
die von Norden kamen und hier auf den Japento-Weg eingeschwenkt waren, meinte
der Jäger, und das mussten sie ihm wohl glauben. Immerhin schienen die Rotten
damit erst einmal auszuscheiden, und sie atmeten auf.
Erst als sie so nah waren, dass der aufgewirbelte
Staub ihre Augen und Nasen reizte, fiel dem Jäger die Rittergarde wieder ein,
die man wegen der Rotten nach Orolo geordert hatte. Keine zehn Minuten später
hatte der Wagen die trabende Schar eingeholt: Sechzehn Pferde mit bewaffneten
Reitern und einer Flagge in Dunkelrot und Grau. Als sie an der Truppe
vorbeifuhren, sahen sie, dass eines der Pferde zwei Reiter zu tragen hatte und
dass die beiden miteinander rangen. Die gekrümmte Gestalt vor dem Sattel war
offenbar festgebunden, und der Reiter hinter ihr hielt ihr den Mund mit seinem
Lederhandschuh zu.
„Das ist sie! Die haben sie!“, schrie Stanwell.
„Verdammt, diese Schweine haben meine Schwester!“
„Achtung, es wird laut“, warnte Inglewing und zog die
Schnur, die das Nebelhorn ertönen ließ. Die Wirkung war beeindruckend – die
Hälfte der Reiter kämpfte mit ihren ausbrechenden Tieren. Sekunden später war
der Wagen von stampfenden Pferden umringt und musste anhalten. Jetzt hörten sie
Nella schreien. Inglewing hielt Stanwell zurück, der aus dem Wagen wollte. „Langsam!
Das ist eine Rittergarde der Nevvencaer aus Maikonnen. Was Ungesetzliches
können die sich gar nicht leisten!“
„Ach nein? Siehst du etwa nicht, dass sie sie
festhalten?“
Der Geruch von Pferden und Schweiß erfüllte jetzt die
Fahrerkabine, der dumpfe Hufschlag der erschreckten, immer noch scheuenden
Tiere war bis zu ihnen hinauf zu spüren. Panisches Wiehern und Schnauben direkt
neben ihnen, Pferdeflanken, die gegen das Holz prallten, den Wagen
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