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Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)

Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)

Titel: Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
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Handflächen drückten und die
hart gewordenen Kanten der ledrigen Haut sich müde auf seiner eigenen,
lebendigen Haut niederließen. Auf einmal schleuderte er das Ding von sich,
sprang auf und riss mit fliegenden Händen die Ranken der zweiten und dritten
Mistelkugel auseinander. Wie seltsame Nüsse schüttelte er die beiden anderen
Schädel aus ihren Behausungen, und als sie in den Staub rollten, traf ihn
endlich der Geruch, und dann kniete er würgend vor den Köpfen, die Tränen
liefen ihm aus den Augen, der Rotz aus der Nase, er würgte und würgte, aber es
kam nichts.
    Immerhin hörte er die anderen jetzt wieder.
    „Muss der Geruch sein“, kommentierte Gerringer seinen
Auftritt.
    Schlauer Mann. Merkte wirklich alles.
    „Strellik“, keuchte er. „Strellik ist das!“
    Er tastete nach dem Kopf, der vor seine Knie gerollt
war. Der dritte Kopf. Wie bei den beiden anderen war auch hier die gelbliche,
schrumpelige Kopfhaut von Haarstoppeln bedeckt. Diese hier waren heller, waren
einmal blond gewesen.
    Eine Frau. In einem ihrer Ohrläppchen steckte noch ein
Ohrgehänge – stumpf gewordenes Metall, blinde Steine; die leere Fassung, wo
einer fehlte, wie eine klaffende Augenhöhle. Das andere Ohrläppchen war
zerrissen. Der Anblick ließ ihn zusammenzucken – und dann konnte er sie auf
einmal sehen, diese Frau –
    - nein, ein Mädchen, fünfzehn vielleicht, das Haar
wippte über ihren Schultern und auf ihrem Rücken wie eine honigfarbene Decke, als
sie zum Glockenturm hinauflief. „Treppenstufen schlafen nie!“, sang sie, ein
frecher, lachender Gesang, der ihn wütend machte, „mit blassen Augen wachen sie
… sehn dem Fuß zu, der sie tritt …“
    Er sah sie, diese Füße, wie sie die alten Holzstufen
traten, wie sie nackt tanzten unter einem langen Kleid aus leichtem, weißem
Stoff …
    „… zählen jeden Fehltritt mit …“
    Aber sie machte keinen Fehltritt, er war es, der fehltrat und fiel und fiel …
    „James, jetzt komm mal zu dir, Mann! Leg dieses Ding
weg! Das ist doch widerlich!“
    Er sah auf den geschrumpften Schädel in seinen Händen,
auf die erbärmlichen Haarstoppeln, auf die schwärzlichen Rosinen, in die sich
die wasserblauen Augen verwandelt hatten. Nein, die hier, das war nicht die aus
dem Glockenturm gewesen. Nur eine von denen, die danach gekommen waren und
deren Haare genauso aussahen, wie ein langer, sich wellender, lebendiger
Vorhang, in dem sich das Abendlicht fing … Und ihr Name war – war –
    Amelia, Amelia … schöner Name, aber leider der
falsche, und deshalb starb auch sie … aber ihr Haar verwahrte er, es war zu
schön, um es dem Wind zu überlassen …
    Dorian Inglewings Stimme drang zu ihm durch. „Sie ist
tot. Schon lange. Du kannst ihr nicht mehr helfen“, sagte er, was lächerlich und
hilflos zugleich klang.
    „Amelia! Amelia Birchiter, so hieß sie!“
    „James! Hör auf damit !“
    Inglewing packte ihn am Kinn und drehte ihm das
Gesicht so, dass er ihn ansehen musste. Endlich ließ das silbrige Geflimmer
rings um sein Blickfeld nach. Das Gesicht der Toten war verschwunden.
Stattdessen sah er in graubräunliche Augen und eine Wüste aus Sommersprossen.
    „Weißt du, wovon ich rede?“, fragte er heiser. In
seinen eigenen Ohren klang es wie ein Hilfeschrei.
    „Nein – ja – kann sein, dass ich den Namen schon mal gehört
hab, ich weiß es nicht! Ich schlag vor, du hältst jetzt einfach die Klappe“,
sagte Inglewing mit einem beschwörenden Blick.
    „Was ist mit ihm?“ Stanwell hörte sich sehr
verunsichert an. „Ist er etwa so ein Seher? So einer, der was über die Toten
rauskriegt, wenn er ihre Sachen anfasst? Ich dachte, das machen nur Frauen …
ich dachte, das ist alles nur Betrug!“
    „Ist es auch“, erwiderte Inglewing fest.
    James wischte sich Nase und Augen am Hemdärmel ab.
Mann, er hatte wochenlang im Pathologiesaal gestanden und Leichenteile
präpariert, ohne jemals so eine Show abzuziehen. Und jetzt hockte er hier wie
ein Erstsemester, der in sein Präparat gekotzt hat! Von der Seite durchschnitt
das Gesicht des Gelichterjägers sein Blickfeld wie ein Mond. Es verhielt dicht
vor ihm, dicht genug, dass er die roten Äderchen auf Gerringers Nase sehen
konnte. „Sag das noch mal, Hakemi! Den Namen der Frau, meine ich!“
    „Tut er nicht! Hör mal, Oswend, er ist nicht richtig
bei sich! Ich meine, er hat keine Ahnung, was er sagt!“
    „Amelia Birchiter hieß sie“, antwortete James
gleichmütig. „Und sie war auf dem Rückweg von

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