Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
deine
Schrauben und Geräte im Kopf, und das ist ja auch gut so. Aber von Politik
verstehst du nichts, und ich fürchte, genau darum wird es letztendlich gehen.“
„Oh, schönen Dank für diese Einschätzung. Was ist denn
Schreckliches passiert? Hat Sabin geschrieben? Hat er Probleme?“
„Nein, nicht Sabin, der ist genau wie du – immer mit
der Woge schwimmen, solang sie in die passende Richtung rollt … Er glaubt auch
immer, dass er noch abspringen kann, wenn ihm die Richtung nicht mehr gefällt …
nein, Sabin geht’s gut da oben in Skilsinen. Viel harte Arbeit, sagt er, aber
dafür verdient er mehr als hier bei uns.“
„Was ist dann los? Habt ihr hier Ärger mit
Michaelius?“
„Wann denn nicht … dem ist die Unterstadt doch seit
jeher ein Dorn im Auge. Daran wird sich auch nichts ändern, solange sie in der
Hand von Treibsern bleibt. Hör zu, lass uns nicht hier darüber sprechen,
Dorian, nicht zwischen Tür und Angel. Zumal du es eilig hast. Komm morgen zum
Abendessen, dann haben wir Zeit dafür. Und bis dahin wird sicher auch El-Janubi
an Land sein.“
„Ich komme gerne. Und jetzt müssen wir wirklich los.
James, raus aus den Polstern! Lasst Carmino ausschlafen!“
4. Nulldichte
1
Es
war Wind aufgekommen, als sie wieder hinaus auf die Straße traten, und auf
einmal konnte James das Meer riechen. Er ging zu dem Mäuerchen hinüber, hinter
dem die Unterstadt von Rhondaport in einem Abhang endete. Zwei Frauen mit
Wäschekörben stiegen dort langsam den Stufenpfad hinauf. Knorrige Bäume mit
langen, dunkelgrünen Blättern warfen zappelnde Schatten über diesen Weg. Der
Fluss war breit, sicher so breit wie die Themse … und es hätte die Themse sein
müssen, verflucht noch eins! Sein Blick glitt suchend stromabwärts, bis er in
vielleicht einer Meile Entfernung den Hafen entdeckte. Dahinter ein blauer,
glitzernder Streifen – das Meer.
Inglewing war neben ihm stehengeblieben, als die Tür
des Schneiderladens wieder geöffnet wurde und der Diener herauseilte.
„Ska Inglewing! Ska Inglewing, Sie haben Ihren
Werkzeuggürtel vergessen!“
„Schande, ich glaub es nicht! Danke, Adam! Muss an
diesem Anzug liegen …“ Er überlegte anscheinend, ob er den Gürtel trotz der
Weste umbinden sollte, hängte ihn sich dann aber doch lieber über die Schulter.
Der Diener verneigte sich und ging mit würdevollen Schritten zum Laden zurück.
„Schwer zu glauben, dass er aus demselben Kaff in
Orolo stammt wie ich“, sagte Inglewing. „Gabriel, meine ich. Vor zehn Jahren
war er noch Wäscher in Halmyre – und jetzt hat er einen Diener und kann es sich
sogar leisten, offen zu seinen Verwandten bei den Peregrini zu stehen.“
Peregrini – die Typen mit Handstand und Getrommel.
James fiel ein, dass Dorian auch sie zuerst für Peregrini gehalten hatte. „Was
sind das eigentlich für Leute?“
„Die Peregrini? Fahrende. Musiker, Schauspieler,
Gaukler – du hast sie ja eben gesehen. Man lässt sich gerne von ihnen
unterhalten, aber man lässt sich nicht mit ihnen ein. Ich glaube, die Graicos
sehen das noch strenger als die Valdannen, weil die meisten Peregrini nicht aus
ihrem Volk stammen. War bestimmt ein Riesenskandal, als Gabriels Schwester
damals in die Truppe eingeheiratet hat. Komm, wir müssen los.“
Doch als sie dann im Wagen saßen, startete Inglewing
nicht sofort. „Du hast noch nicht viel gesagt“, bemerkte er. „Hast dich nicht
aufgeregt, nicht spekuliert. Nur beobachtet. Das hab ich beobachtet.
Weißt du Bescheid?“
Dann gab es also etwas, worüber man Bescheid wissen
konnte?! James fühlte die Aufregung wie einen Schlag in den Magen. „Was meinst
du?“
„Was die Übergänge angeht. Gibt’s irgendwas, das du
über diese Übergänge weißt – etwas, das du mir sagen könntest?“
„Nein, Mann! Ich dachte, du bist der Fachmann!
Wir sind gestern Nachmittag durch diesen Irrgarten von Wokenduna Hall gegangen,
und dann – dann standen wir auf einmal im Wald, und der Irrgarten war
verschwunden – weg! Die Bäume, die Hecken, die Wege – wir haben einfach nichts
mehr gefunden, obwohl sie direkt hinter uns hätten sein müssen. Was ich
gefunden habe, war Müll, den Pix weggeworfen hatte – im Irrgarten hatte
sie den weggeworfen. Jetzt lag er im Wald, als wäre da nie ein Irrgarten
gewesen.“ Er rieb sich den Nacken, über den ein Kribbeln lief. „Wir sind
rumgelaufen und haben dieses verdammte Herrenhaus gesucht. Haben dann am
Feldrand übernachtet, gehofft, dass man nach
Weitere Kostenlose Bücher