Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)

von einem Aubrey Hilarius Pennebrygg. Man konnte die geprägten Lettern
auf dem Buchdeckel deutlich lesen.
    James sah auf, wartete auf die Fortsetzung des
Gesprächs … da draußen schwebte immer noch der Raubvogel … ein schwarzer Punkt
im dunklen Blau, hoch über der Brücke von Rhondaport …
    Und dann geschah etwas Seltsames. Er hörte, dass
Dorian drinnen antwortete, aber er konnte nicht verstehen, was er sagte, der
Klang seiner Worte verzerrte sich, hallte, als habe sich das Zimmer um ihn
herum mit einem Mal zu einem steinernen Saal geweitet. Ganz in der Ferne sah
James noch den Mann am Pult und auch das Fenster und den Vogel, aber auf einmal
fühlte er seinen eigenen Körper nicht mehr, sondern schwebte in einer
körperlosen, tiefen Schwärze. Ich werde ohnmächtig, dachte er überrascht.
    Aber eine Ohnmacht war das nicht, er sah und hörte
doch und konnte immer noch denken! Die Welt schien nur auf eine entscheidende
Weise fern gerückt zu sein.
    Ich bin wirklich weit weg –
     
    „… wach?“
    Da war ein heller Fleck, der sich rasch vergrößerte,
was gut war. Denn in der Dunkelheit um ihn herum flüsterte eine Stimme Worte,
die er nicht hören wollte. „ Treppenstufen schlafen nie … mit blassen Augen
wachen sie –“
    „James! Mann, was ist los?“
    Die Dunkelheit schrumpfte zu einem Rand, einem Bilderrahmen
um die Wirklichkeit. Die bestand aus drei Gesichtern, die ihn ansahen – von
oben auf ihn heruntersahen, wie er überrascht feststellte. Ein erstauntes, ein
ironisches und ein vollkommen unbewegtes.
    „Treppenstufen … schlafen …“, knisterte es noch einmal
aus den dunklen Rändern um sein Bewusstsein, dann verschwanden auch diese, und
mit ihnen das Mantra aus jenen Minuten tiefsten Entsetzens. Er hatte viele
Stunden über diese Worte nachgedacht. Er hasste sie.
    „Also, Dorian – wir sehen uns beim Dinner“, sagte das
ironische Gesicht. „Vergessen Sie Ihren Abendanzug nicht.“
    James bemerkte endlich, dass er auf dem Stuhl zur
Seite gesackt war und mit dem Oberkörper halb in Larkishs Bücherschrank hing.
Da war der Nachhall eines tiefen Schreckens in ihm … oder doch etwas, das sich
am ehesten wie Schrecken anfühlte. Seine Lage im Bücherschrank war schrecklich
unbequem, aber nur schwer zu ändern. Es kostete Anstrengung, sich wieder
aufzurichten, und sein Kopf ließ sich kaum geraderücken. Als es ihm endlich
gelang, war der Professor glücklicherweise entschwunden, über Inglewings
Gesicht zuckte so etwas wie das Wetterleuchten eines herannahenden Unwetters,
und der Riese entfernte mit immer noch unbewegter Miene den Teebecher, den James
vor Larkishs gesammelten Werken abgestellt hatte.
    Inglewing sagte irgendwas über Eile und Wagen und
Badehaus – die Worte knirschten aus ihm heraus, ganz anders als bisher – und
dann stolperte James auch schon auf seinen überanstrengten Füßen hinter ihm
her, durch die Schule, über die Brücke, an dem giftigen Pedell vorbei, den
Inglewing diesmal keines Blickes würdigte, und hinunter auf einen Weg, der am
Fluss entlang in Richtung Stadt führte. Trotz seiner Eile hatte der Erfinder
nicht einmal versucht, auf der Straße oben einen Pferdewagen anzuhalten, und
nach wenigen Sekunden auf dem einsamen Flussweg begriff James auch, warum
nicht. Das Wetterleuchten hatte er sich nicht eingebildet, und in der folgenden
Dreiviertelstunde durfte er Inglewings umfangreichem Vorrat an Flüchen lauschen
– ein Genuss, der allerdings dadurch getrübt wurde, dass er die klangvollen
Worte nicht verstand, da der Mann auf Graix fluchte. Tonfall und Miene ließen
jedoch keine Zweifel an der generellen Richtung seiner Äußerungen aufkommen.
Der wütende Erfinder hatte was von einem vor sich hin brodelnden Topf, der sich
unaufhaltsam der Explosion nähert, und James war klug genug, sich
zurückzuhalten. Im Übrigen hatte er ja genug von dem Gespräch mitbekommen, um
Inglewings Stimmung nachfühlen zu können.
    So folgte er ihm schweigend zwischen Fluss und dichtem
Gesträuch, das sich rechts von ihnen bis zur Stadtmauer hinauf erstreckte und
voller schnarrender Grillen oder Schrillwürmer war, schlug nach den Mücken, die
in Schwärmen über sie herfielen, und fragte sich, was heute wohl noch alles auf
ihn wartete.
    Als sie die Flusswiesen erreichten – auch auf dieser
Seite mit Leinen voller flatternder Wäsche dekoriert – war Inglewing fertig.
Vielleicht war sein Wortschatz auch einfach erschöpft. Zeit, ein paar Fragen zu
stellen, fand