Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
einer
zu fragen.
„Nein. Nach Horgests Auftritt und mit denen hier
bleiben wir besser mal ’ne Weile unsichtbar für die Leute aus dem Delta.
Diesmal geht’s durch Orolo.“
Es gab einiges Gemurre, das aber nicht laut wurde.
Offenbar legte sich niemand gern mit Montagu an, wenn er schlecht gelaunt war.
James fragte sich, was jetzt von ihnen erwartet wurde, aber auch dafür sorgte
der Chef der Truppe. Er winkte einen jungen Mann heran, der einen Kasten voller
Messer schleppte.
„Firn, he, Firn! Sieh zu, dass sie sich nützlich
machen. Und dann zeig ihnen den Wagen, damit sie sich ’nen Platz suchen können.“
Damit ließ er sie stehen.
Jakobe legte den Arm um Pix. „Du gehst natürlich nicht
zu den jukannai in den Wagen – er hat dich wohl nicht richtig gesehen“,
sagte sie herzlich. „Du kannst bei uns unterkommen. Komm mit.“
James und Carmino halfen also dem Kerl namens Firn mit
den Messern und dann beim Verstauen schwerer Holzteile, aber in der
eingespielten Choreographie des Abbaus störten sie mehr als sie nützten und
standen schließlich nur noch im Weg.
Und irgendwann fand sich James jenseits der Bäume
wieder, hinter sich die aufbruchbereiten Wagen und vor sich das Flussufer im
Mondlicht. Sie standen fast genau gegenüber vom Hafen, und wie vor Stunden ließ
er seinen Blick über den Fluss hinunter bis zum Meer schweifen, das jetzt in
flimmerndem Silber zerfloss. Die dunkle Silhouette des Segelschiffs war
verschwunden.
6. Zwei Fäden im Teppich
1
Mitternacht
war vorbei, als Dorian langsam vom Präfektenhügel hinunter Richtung Markt ging.
Eine Viertelstunde zuvor hatte Soulis Makwarai das Dinner bei Michaelius
endgültig gesprengt. Wütend verlangte der Reeder den Präfekten zu sprechen und
wollte eine Erklärung dafür, dass sein Schiff zum Abdrehen gezwungen worden war
– worüber man ihn nicht einmal offiziell informiert habe.
Dorian war froh, dem Palast entkommen zu sein und
endlich Ruhe zum Nachdenken zu haben. Hinter ihm rollte die Kutsche vorbei, die
Larkish und Autrejaune fortbrachte, und er drehte sich um und hob noch einmal
grüßend die Hand. In der Linken hielt er einen großen, versiegelten Umschlag.
Beim ungeplant frühen, hastigen Aufbruch hatte der Professor ihm den im letzten
Moment noch in die Hand gedrückt. „Ihre Zukunft, Dorian!“, hatte er dabei mit
vielsagendem Blick verkündet. „Stellen Sie sich damit baldmöglichst bei
Emberlend in Orchrai vor!“
Er hatte keine Ahnung, ob die anderen Präfekten nun
ihre Unterschriften noch darunter gesetzt hatten, aber Michaelius hatte
zumindest dabeigestanden und bekräftigend genickt. Man sah ihm allerdings an,
dass er mit den Gedanken woanders war.
Die Kutsche rumpelte um die Straßenecke, und dann
herrschte wieder die Stille, die für Rhondaports Oberstadt – von einigen
Häuserzeilen unten am Fluss einmal abgesehen – um diese Tageszeit üblich war.
Nur das Schrillen der Insekten würde erst kurz vor der Morgendämmerung für ein
paar Stunden verstummen.
Er nahm den Weg über die Treppen, die zwischen
Weinstöcken und Feigenbäumen den Hügel hinabführten, und hatte so immer wieder
freie Sicht auf Häuser, Gärten, Stadtmauer und Fluss. Wie träumend lag das
alles unter dem bösartigen Mondlicht … oder doch eher wie verhext? Ihm kamen
die Dörfer Orolos in den Sinn, wie sie Nacht für Nacht ängstlich in sich zusammenkrochen
und bis zum Morgen in einer Reglosigkeit verharrten, die mehr Erstarrung als
erholsamer Schlaf war. Als kleiner Junge war er ein Nachtwanderer gewesen und,
ausgestattet mit Gelichternetzen und Dämonenfängern, die er zum Teil selbst
erfunden oder verbessert hatte, auf Gelichterjagd gegangen. Später, als das
seinen Reiz verlor, nutzte er die nächtliche Stille zu Grübelgängen, wenn er
mit einem seiner Projekte nicht weiterkam. Und als Vierzehnjähriger hatte er
wochenlang Nacht für Nacht Wache gehalten vor dem Häuschen von Danae Crooke, in
die er so fürchterlich verliebt gewesen war, dass er darüber sogar seine
Trukant-Experimente vergaß.
Aber jetzt ging er in der saubersten Stadt südlich von
Aube durch die Nacht, einer Stadt, in der es nie einen Gelichterjäger gegeben
hatte – dafür aber ein ganzes Heer von Custodians, die sich um die
Aufrechterhaltung von Ordnung und Sauberkeit kümmerten. Wie viele von denen
mochte Michaelius jetzt noch auf die stillen Straßen hinausschicken?
Was die Vorfälle auf der Kallisti anging, hatte
der Präfekt sich auch nach seiner Beratung
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