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Formbar. Begabt

Formbar. Begabt

Titel: Formbar. Begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juna Benett
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nervös.«
    Scheinbar zeichnen sich die Empfindungen deutlich auf meinen Zügen ab. Hervorragend. Ich zwinge mich zu einem Lächeln und nicke. Offenbar nicht sonderlich überzeugend. Jan dreht sich komplett zu mir um und neigt seinen Kopf ein wenig in meine Richtung. Gut, dass ich sitze, denn meine Knie werden schon wieder weich.
    »Bitte entschuldige. Du musst mich für einen Idioten halten. Ich lade dich ein und bin dann nicht fähig, ein Gespräch zu führen.«
    Stumm starre ich ihn an. Jetzt bin ich eher diejenige, die nicht fähig ist, ein Gespräch zu führen. Jan lässt sich von meinem hochintelligenten Gesichtsausdruck nicht beirren und spricht weiter. »Seit dem Nachmittag im Einkaufszentrum gehst du mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich möchte dich kennenlernen.«
    Nun nehme ich doch meinen Mut zusammen und antworte. »Und das hättest du nicht anders signalisieren können als mit finsteren Blicken? Ich dachte, du hasst mich abgrundtief...«
    Jan dreht ausweichend den Kopf. »Nicht immer ist einem direkt klar, was man sich wünscht.«
    Was für eine kryptische Aussage. Skeptisch mustere ich ihn, entscheide mich dann aber doch dafür, mit dieser Antwort auf humorvolle Art und Weise umzugehen und rette mich in ein verlegenes Lachen.
    Zum Glück erlischt kurz darauf das Licht und die Filmvorschau beginnt. Ich nutze die Dunkelheit, um ihn unauffällig von der Seite zu beobachten. Dabei versuche ich, den Kopf so wenig wie möglich zu drehen; ein schwieriges Unterfangen. Die Tätigkeit erfordert so viel Aufmerksamkeit, dass ich vom Hauptfilm kaum etwas wahrnehme. Ich glaube, es geht um Bomben und Autos, aber sicher bin ich nicht. Jan scheint ganz in die Handlung vertieft zu sein, sodass ich allmählich entspannter werde. Schließlich traue ich mich sogar, meinen Arm, der durch die unnatürliche Haltung schon steif geworden ist, auf die im Augenblick freie Armstütze zu legen. Auf der Leinwand spielt sich eine rasante Verfolgungsjagd inklusive wilder Schießerei ab, die mich kurzzeitig von meinem Nachbarn ablenkt.
    Umso fassungsloser bin ich, als ich plötzlich Jans Arm neben mir spüre und sich seine kühlen Fingerspitzen locker auf meine Hand legen. Mit einem Schlag fühle ich mich wieder nur auf diesen einen Berührungspunkt reduziert, von welchem Impulse wie elektrische Schläge durch meinen ganzen Körper jagen. Erstarrt zur vollkommenen Bewegungslosigkeit verbringe ich den Rest des Filmes als Statue und lasse zu, dass Jan mir leicht über den Handrücken streicht.
    Er hat definitiv mehr Erfahrung als ich, immerhin ist er knapp zweieinhalb Jahre älter. Ich hatte bisher noch keinen Freund und bin in der Hinsicht völlig ahnungslos. Seit Monaten male ich mir solche Situationen wieder und wieder aus. Aber sollten sie nicht eher langsam entwickeln? In meiner Fantasie läuft es so ab, dass wir Schritt für Schritt mehr übereinander erfahren, Vertrauen aufbauen und uns dadurch annähern. Erst dann ist der Körperkontakt dran. Andererseits hat seine Methode auch ihre Vorteile. Das kann ich nicht leugnen. Aber hätte ich nicht vorher bemerken müssen, dass er sich für mich interessiert? Was ist mit Denise, die erzählte, dass er sie einfach so stehen lassen habe? Trotzdem ist seine Berührung so angenehm und aufregend, dass ich es nicht schaffe, ihm meine Hand zu entziehen. Ich muss mir dringend klar darüber werden, was ich will, und zwar ohne dass ausschließlich die Hormone mein Denken und Fühlen bestimmen.
    Kurz bevor das Licht wieder angeht, zieht Jan seine Hand zurück. Noch während der Abspann läuft, stehen wir auf und verlassen das Kino, diesmal ohne jeglichen Körperkontakt. Ich bin fast enttäuscht, seine Hand nicht auf meinem Rücken zu spüren. So viel zum Thema Selbstbestimmung ohne Hormone. Andererseits brauche ich jetzt definitiv ein wenig Zeit für mich, um zu entscheiden, was ich denn eigentlich will – und wann ich es will.
    »Möchtest du noch etwas trinken gehen?« Jans Stimme klingt rau, nachdem wir fast zwei Stunden geschwiegen haben.
    »Sei mir nicht böse, aber gerade will ich nur nach Hause. Der ganze Abend mit dir war so...«, fast hätte ich anstrengend gesagt, »aufreibend, dass ich mir erst über einige Dinge klar werden muss.«
    Habe ich das gerade wirklich gesagt? Jan will noch länger mit mir zusammensein, und ich habe ihn vertröstet?
    Sein Blick verdüstert sich, trotzdem zwingt er sich zu einem Lächeln, das jedoch seine Augen nicht erreicht. »Dann fahre ich dich direkt nach

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