Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Formbar. Begabt

Formbar. Begabt

Titel: Formbar. Begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juna Benett
Vom Netzwerk:
Viv gepresst, »Hast du mich belogen?«
    »Ja.« Verlegen wickle ich eine Haarsträhne um meinen Zeigefinger.
    »Warum hast du das getan? Ich dachte, du vertraust mir.«
    »Das tue ich. Viv, du musst das verstehen. Ich hatte das Gefühl, dass dir schon die Telekinese-Sache zu viel ist. Ich wollte dich nicht weiter belasten.«
    »Ich, ich, ich! Es geht immer nur um dich, oder? Du wolltest mich nicht belasten? Glaubst du nicht, dass ich meine Wahl selbst treffen kann? Du kannst nicht für mich entscheiden, Hannah! Ich dachte, wir wären gleichgestellte Freundinnen. Seit du diese Kraft entwickelt hast, bist du sowas von selbstgerecht geworden. Ich kenne dich überhaupt nicht mehr. Manchmal bist du wie eine Fremde für mich. Zuerst lügst du mich an, dann muss ich in den Ferien um jedes Treffen mit dir betteln und nun erzählst du mir so nebenbei, dass du Gedanken manipulieren kannst? Was verschweigst du mir sonst noch?«
    Hilflos suche ich nach einer passenden Entgegnung. »Ich weiß auch nicht, welches Ausmaß diese Fähigkeit hat. Und dass die Sache mit Denise heute nicht in Ordnung war, weiß ich selbst.«
    Vivs Stimme wechselt in eine höhere Tonlage. »Nicht in Ordnung? Du gibst anderen Menschen Dinge ein, die nicht von ihnen selbst stammen, und findest das »nicht in Ordnung«? Hannah, das ist verdammt gefährlich! Ich weiß gerade überhaupt nicht, wie ich reagieren soll. Warst du dir in dem Augenblick wirklich im Klaren darüber, was du tust?«
    Wieder bejahe ich, obwohl ich weiß, dass ihr Ärger dadurch weiter zunehmen wird.
    »Das ist echt das Letzte!« Durchs Telefon höre ich, wie Viv scharf einatmet. »Versprich mir, dass du dir nie Zutritt zu meinem Kopf verschaffst!« Sie verstummt abrupt. »Oder hast du vielleicht schon...?«
    »Viv! Nein! Das würde ich niemals tun und habe es somit auch noch nie getan! Wirklich! Du musst mir glauben!«
    Wieder herrscht Stille zwischen uns und ich ahne, dass sie überlegt, ob ich sie durch das Telefon beeinflussen kann. Ist es so schwer verständlich, dass ich Denise beruhigen wollte? In diesem Moment war ich so hilflos, dass mir jede Idee gelegen kam. Und es ist nicht zu leugnen, dass die Situation durch mein Eingreifen entschärft wurde. Trotzdem habe ich eine Grenze überschritten, deren Missachtung mir nicht zustand. Das ist der wesentliche Punkt. Das ist der Aspekt, um dem es Viv geht. Und sie hat recht.
    Während der restlichen Konversation ist die Stimmung angespannt. Wir diskutieren noch kurz über mögliche Outfits, die ich am kommenden Tag tragen könnte. Keine von uns beiden ist richtig bei der Sache, sodass wir uns kurze Zeit später unangenehm berührt voneinander verabschieden.

***
    Normale Menschen interessieren mich nicht. Sie sind so leicht beeinflussbar. Ich kann ihnen jeden beliebigen Gedanken einpflanzen und sie zu willenlosen Sklaven machen.
    Wer unterhält schon eine Freundschaft zu einer Marionette?

11
    Aufgewühlt
    In der Nacht von Montag auf Dienstag finde ich keinen Schlaf. Zu viele verschiedene Gedanken lassen mich einfach nicht zur Ruhe kommen.
    In das Gehirn anderer Menschen eindringen und dieses manipulieren? Wie könnte ich eine solche Macht haben wollen? Nie wieder werde ich mir sicher sein können, ob Zuneigung, die eine Person für mich empfindet, wirklich von ihr ausgeht, oder ob ihr diese Gefühle von mir eingepflanzt wurden. Werde ich jemals wieder um meiner selbst willen gemocht werden? War das bisher überhaupt der Fall? Wie lange habe ich bereits Menschen gelenkt, bevor ich mir meiner Fähigkeit überhaupt bewusst wurde? Hätte ich Viv besser nichts davon erzählen und sie in dem Glauben lassen sollen, meine Kraft beträfe nur Dinge? Habe ich unsere Freundschaft aufs Spiel gesetzt? Sicher ist, dass ich meine Konzentrationsfähigkeit trainieren muss, damit mir eine solche Situation wie das Umschalten der Ampel zukünftig erspart bleibt. Zerstreut bin ich eine Gefahr für mich und meine Mitmenschen. Ich muss mir immer und jederzeit meiner Wünsche bewusst sein.
    Das zweite Thema, um welches meine Gedanken kreisen, ist Jan. Ich kann Denise' verzweifelten Blick nicht vergessen, als sie mir erzählte, auf welche Art und Weise er mit ihr Schluss gemacht hatte. Ohne Erklärung. Ohne dabei irgendeine Emotion zu zeigen. Hat er sie wirklich für mich verlassen, als er die Beziehung vor den Ferien beendete? Wie passt der Zeltausflug ins Bild? Hätte er sich nicht zumindest ein wenig freundlicher verhalten müssen? Egal, aus welcher

Weitere Kostenlose Bücher