Formbar. Begabt
Hause.«
Die Autofahrt verbringen wir in gewohntem Schweigen. Ein Seitenblick auf Jans Profil zeigt mir, dass er die Zähne so fest aufeinander gebissen hat, dass seine Kieferknochen hervortreten. Das Licht der Straßenlaternen lässt seine Haare noch schwärzer, seine Haut noch heller erscheinen, und wieder sind die Knöchel seiner Hände weiß vor Anspannung.
Was für ein merkwürdiger und gleichzeitig faszinierender Abend. Hoffentlich habe ich diese Sache zwischen uns mit meinem abrupten Wunsch, nach Hause zurückzukehren, nicht beendet, bevor sie überhaupt begonnen hat.
Jan parkt seinen Alfa vor dem Haus, steigt aus und umrundet ihn zügig, um mir wieder die Tür zu öffnen. Ein Blick auf unsere Fenster zeigt mir, dass sich der Rest der Familie schon zur Ruhe begeben hat – kein Wunder, es ist bereits halb elf und alle – ich eingeschlossen – müssen morgen früh aufstehen.
»Ich begleite dich noch.«
Zuerst die Blume, dann das Aufhalten der Tür, das selbstverständliche Zahlen im Kino – ein Gentleman durch und durch. Natürlich liefert er mich wohlbehalten wieder ab. Gemeinsam laufen wir den Gartenweg entlang. Ich will gerade in meiner Handtasche nach dem Schlüssel kramen, als mich Jan sanft an der Schulter fasst und zu sich herumdreht. Er neigt den Kopf langsam zu mir herunter, während er mich keine Sekunde aus den Augen lässt.
Ich verfalle in Panik. Er wird mich doch jetzt nicht küssen wollen? Weicht unsere Wahrnehmung des Abends so sehr voneinander ab?
Die Unterhaltung heute, falls man diesen Wortwechsel überhaupt als solche bezeichnen kann, hat meine Vorbehalte nicht aus dem Weg geräumt. Im Gegenteil. Das geht mir zu schnell. Noch immer habe ich Denise' gebrochene und tränenerstickte Stimme im Hinterkopf, die mir völlig fassungslos von dem plötzlichen Ende der Beziehung berichtet. Zudem erinnere ich mich nur zu gut an die abfälligen und zum Teil hasserfüllten Blicke.
Solange ich dafür keine zufriedenstellende Erklärung erhalten habe, kann ich mich ihm nicht überlassen, egal wie mich die Vorstellung, Jan zu küssen, auch anzieht.
Und so drehe ich den Kopf zur Seite.
Jan weicht schlagartig zurück und vergrößert den Abstand zwischen uns. Er sieht mich an. Seine hellen Augen glühen vor Zorn. Noch bevor ich irgendwie reagieren kann, hat er schon wieder einen Schritt auf mich zugetan und packt mich bei den Handgelenken. Meine Tasche fällt unbemerkt zu Boden, während ich ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarre. Er stößt mich heftig zurück. Zugleich verlagert er sein Gewicht und drückt meine Hände rechts und links von meinem Kopf gegen das raue Holz der Haustür. Er befindet sich nun so dicht vor mir, dass ich mich kaum bewegen kann. Mit einer fließenden Bewegung überwindet er auch noch den letzten Abstand zwischen uns. Mit seinen Beinen drückt er meine Hüfte gegen die Tür und steht nun so nahe, dass ich mich nicht mehr rühren kann.
Er hat mich überfallen. Für jegliche Gegenwehr ist es viel zu spät. Ich kann mich nicht widersetzen. Trotzdem spanne ich alle Muskeln an und versuche, mich aus seinem Griff zu winden, schaffe es aber noch nicht einmal, meine Hände auch nur ein winziges Stück zu bewegen. Ohne zu zögern, nutzt Jan seine Überlegenheit aus. Er senkt den Kopf, sodass sich unsere Gesichter auf gleicher Höhe befinden und fixiert mich nochmals mit einem durchdringenden Blick. Dann beugt er sich vor und küsst mich.
Im selben Moment scheint meine Wahrnehmung zu explodieren. Ich vergesse den harten Glanz seiner Augen, die gnadenlose Zurschaustellung seiner Dominanz und sogar den Umstand, dass er mich gegen meinen Willen festhält und weiterhin mit seinem Körper gegen die Haustür drückt.
Sein Kuss ist genauso kraftvoll wie er selbst. Fordernd treffen seine Lippen auf meine und schlagartig konzentrieren sich meine kompletten Empfindungen ausschließlich auf das wunderbare und erregende Gefühl, das diese erzwungene Berührung in meinem Magen auslöst. Noch immer hält er mich mit festem Griff und mittlerweile bin ich froh darüber, da ich spüre, wie mir meine Beine den Dienst versagen wollen. Ließe er mich los, würde ich langsam mit dem Rücken die Haustür hinunterrutschen.
Mit leichtem Druck seiner Zunge öffnet er meine Lippen. In diesem Moment gibt es für mich kein Halten mehr. Ich lege meine ganze Seele, mein ganzes Verlangen in diesen Kuss. Unsere Zungenspitzen berühren sich und mir wird klar, dass er mich in diesem Moment komplett
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