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Formbar. Begabt

Formbar. Begabt

Titel: Formbar. Begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juna Benett
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Horrorszenario nach dem anderen in den Sinn kommt. Kurz bevor ich ihn erreiche, bleibe ich stehen und schaue auf ihn herab. Er liegt mit dem Gesicht zur Wand am Boden. Sein Oberkörper ist leicht gedreht. Ich kann kein Lebenszeichen erkennen.
    Was soll ich jetzt tun?
    Ist er ungünstig an der Wand aufgeschlagen?
    Habe ich ihm das Genick gebrochen?
    Habe ich ihn umgebracht?
    Vor meinen Augen verschwimmt alles.
    Das wollte ich nicht.
    Natürlich nicht.
    Und jetzt vergeude ich wertvolle Zeit, indem ich mich selbst bemitleide, statt Erste Hilfe zu leisten – sollte dies noch möglich sein. Ich lasse mich neben Jan auf die Knie fallen, strecke zögernd meine Hand aus und halte die Luft an. Ich schließe die Augen.
    Unter Aufbietung meiner kompletten Selbstbeherrschung berühre ich seinen Hals und zucke zurück, als hätte ich mich verbrannt. Entsetzt starre ich auf meine Fingerspitzen. Sie sind feucht und glänzend rot. Bittere Galle steigt meinen Hals empor. Ich schlucke hart und beiße mir so fest auf die Lippen, dass mich der scharfe Schmerz aus meiner Benommenheit reißt.
    Ist Jan tot?
    Nachdem ich tief ausgeatmet habe, strecke ich erneut den Arm aus. Dieses Mal berühre ich die andere Seite seines Halses. Zuerst fühle ich gar nichts, doch dann wird mir fast schwindlig vor Erleichterung.
    Kaum merklich ist Jans Puls zu spüren, flatterig und schnell.
    Ich habe ihn nicht umgebracht.
    Er lebt. Zumindest für den Moment.
    Krampfhaft versuche ich, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich weiß nicht, in welchem Winkel Jan an der Wand aufgetroffen ist. Sollte das Rückgrat verletzt sein, darf er auf keinen Fall bewegt werden.
    Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen und fasse an Jans dem Boden zugewandte Schulter. Als ich die warme Nässe seines Blutes fühle, wird mir wieder schlecht. Mit zusammengebissenen Zähnen taste ich vorsichtig seine Halsbeuge ab. Meine Kehle schnürt sich zusammen, als ich plötzlich auf etwas Spitzes treffe. Von trockenen Schluchzern geschüttelt beuge ich mich über Jan und werfe einen Blick auf seine Schulter.
    Knochen.
    Beim Aufprall muss etwas gesplittert sein und sich durch die darüber liegende Haut geschoben haben. Es hebt sich bleich von dem dunklen Blut ab.
    Ohne weiter nachzudenken, taste ich den Bereich um Jans Verletzung ab. Der ehemals weiße Teppichboden ist scharlachrot und trieft vor Nässe.
    Vollgesaugt mit Jans Blut. Und die Wunde blutet weiter.
    Bei diesem Anblick kann ich mich nur knapp davon abhalten, mich zu übergeben. Hilflos knie ich vor Jan und versuche, die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen, als die Erkenntnis brutal über mich hereinbricht.
    Er wird verbluten, wenn ich weiter untätig bleibe.
    Hektisch springe ich auf und schaue ziellos im Zimmer umher.
    Druckverband. Ich muss ihm einen Druckverband anlegen, damit er nicht noch mehr Blut verliert. Jedoch habe ich keine Ahnung, wie man diesen bindet, geschweige denn an der Schulter.
    Ich muss etwas tun.
    Jan liegt bewusstlos und totenbleich am Boden.
    Ich muss ihm helfen.
    Er wird verbluten.
    Verzweifelt drücke ich meine Handflächen gegen die Schläfen. Ich kann keine Erste Hilfe leisten, doch die Zeit wird knapp. Gehetzt suche ich nach einem Ausweg.
    Die Kraft.
    Kann ich damit die Blutung stoppen? Kann ich heilen?
    Unsicher nähere ich mich Jan. Wie konkret muss der Befehl zum Heilen ausgegeben werden? Wird es überhaupt funktionieren?
    Mir bleibt keine andere Wahl.
    Verbissen fixiere ich den Knochen, der aus Jans Schulter ragt.
    Füge dich wieder zusammen.
    Voller Konzentration fokussiere ich meine gesamte Gedankenkraft.
    Wunde, schließe dich!
    Der Knochen bewegt sich. Erneut ergießt sich ein Schwall Blut auf den Boden. Ungewollt wende ich den Blick ab. Als ich mich wenige Sekunden später wieder in der Lage fühle, hinzusehen, hat sich die Wunde geschlossen. Jan liegt jedoch nach wie vor reglos in seinem Blut.
    Im nächsten Moment fühle ich mich, als sei mein Körper seiner gesamten Energie beraubt worden. Die Schwerkraft zieht mich mit erbarmungsloser Stärke nach unten, und eine Welle der Erschöpfung schlägt über mir zusammen. Ich kann mich kaum auf den Beinen halten.
    Hilfe holen.
    Krankenwagen.
    Ich taumle zum Telefon auf Jans Nachttisch und wähle den Notruf. Während das Freizeichen ertönt, kommt mir ein beunruhigender Gedanke: Wie erkläre ich, was passiert ist?
    Unmöglich. Ein schmales, 16-jähriges Mädchen, das einen augenscheinlich viel stärkeren Jungen an die Wand schmettert? Wenn ich nicht

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