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Formbar. Begabt

Formbar. Begabt

Titel: Formbar. Begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juna Benett
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nicht offenbart, als dir klar wurde, dass ich die Kraft habe?«
    Wieder bleibt er stumm, während sich mein Unmut langsam in blanke Raserei verwandelt.
    »Verdammt Jan! Du wirst reden.«
    Ich beobachte ihn. Sein Gesicht ist leichenblass, und in seinen Augen spiegelt sich das Entsetzen, während sich seine Brust schnell hebt und senkt. Er sieht aus, als würden gleich seine Knie unter ihm nachgeben.
    Dann wird mir klar, dass ich maßlos übertreibe. Er hat mir lediglich verschwiegen, dass auch er die Gabe besitzt. Kein Grund, ihn in Lebensgefahr zu bringen. Auch wenn es mir im Moment undenkbar erscheint, kann es eine plausible und harmlose Erklärung geben. Es ist zu riskant, ihn auf der Fensterbank balancieren zu lassen. Ganz besonders unter dem Aspekt, dass er mich momentan mit seinem Widerstand bis aufs Blut reizt. So leicht – nur ein unkontrollierter Gedanke von mir und er fällt. Ich könnte mir nicht verzeihen, wenn er aus dem Fenster stürzen würde – unabhängig davon, ob es aufgrund meiner Kraft oder wegen seiner Schwäche geschieht.
    Steige von der Fensterbank und stelle dich mit dem Rücken an die Tür!
    Jan springt vom Sims und steht wenig später an der vorgegebenen Position. Als er realisiert, dass ich nicht vorhabe, ihn aus dem Fenster zu stürzen, geht eine Verwandlung in ihm vor. Seine Schultern straffen sich, und der Ausdruck seines Gesichtes wird undurchdringlich. Kurzzeitig werde ich von der Einsicht überwältigt, dass ich mich noch immer zu ihm hingezogen fühle. Am liebsten würde ich mich in seine Arme werfen und den letzten Tag vergessen. Ich muss diese unnatürliche Gefühlsregung unterdrücken. Er hat mich nicht nur belogen, sondern auch noch versucht, mich mit der Gabe zu manipulieren. Aber warum das alles?
    Das werde ich jetzt herausfinden.
    Mittlerweile habe ich keine Geduld mehr für seine lästigen Spielchen. Ich will Antworten – und zwar jetzt. Leere Drohungen habe ich nicht nötig. Ich werde dafür sorgen, dass er mir die Wahrheit sagt.
    »Warum hast du mir verschwiegen, dass du ebenfalls die Gabe besitzt?«
    Ich formuliere einen Gedankenimpuls und zwänge ihn brutal in Jans Kopf.
    Beantworte meine Frage mit der Wahrheit!
    Als er bemerkt, was ich mache, werden seine Augen zu schmalen Schlitzen, und er funkelt mich ablehnend an. Er bäumt sich gegen die unsichtbaren Fesseln auf, mit denen ich ihn festhalte. Trotzdem hat er keine Chance.
    »Weil es die Sache für mich deutlich vereinfacht hat. So musste ich weniger erklären. Außerdem konnte ich deine Unwissenheit ausnutzen, um dich zu manipulieren.«
    Eine eiskalte Hand greift nach meinem Herzen, und ich überlege mir unwillkürlich, wie oft er schon in meinem Kopf etwas bewirkt hat, ohne dass ich mir dessen bewusst war. Obwohl ich mir fast sicher bin, dass ich die Antwort nicht hören will, spreche ich die nächste Frage aus.
    »Wann hast du mich manipuliert?«
    Mein mentaler Zwang, in dem ich ihn festhalte, bleibt bestehen.
    Jan. Die Wahrheit!
    »Von Anfang an.«
    Ich fühle mich, als hätte er mir ein Messer in den Magen gerammt. Von Anfang an? Heißt das, keine unserer Begegnungen war echt? Wann war ich Hannah und wann Jans Marionette?
    Dieses Frage-und-Antwort-Spiel vermittelt mir nur einen Bruchteil der Informationen, die ich haben will. Jede Antwort zieht eine Menge neuer Fragen nach sich. Ich muss eine andere Möglichkeit finden, wie ich Jan zum Reden bringen kann.
    Stumm stehen wir uns gegenüber, und ich versuche, die ersten Zeichen aufkommender Erschöpfung zu ignorieren, während Jan meine Reaktion auf seine Eröffnung beobachtet.
    Ist das Schadenfreude auf seinen Zügen?
    Bitte nicht.
    Ich will die Wahrheit über uns wissen, und obwohl sich alles in mir sträubt, spreche ich die Frage aus, die über unsere Zukunft entscheiden wird und an der unsere Vergangenheit hängt. Wiederholt überprüfe ich die Stabilität meiner psychischen Befehle. Jans unsichtbare Fesselung ist intakt und makellos.
    »Liebst du mich?«
    Jan beginnt, höhnisch zu lachen, und bevor er seine Antwort ausspricht, weiß ich, dass er mein Herz brechen wird.
    »Ich mag dich nicht einmal.«
    Ich zucke zurück, unfähig noch etwas anderes als den alles überstrahlenden Schmerz zu empfinden, den mir Jan zugefügt hat.
    Wieso tut er mir das an?
    In den vergangenen Wochen habe ich mich ihm geöffnet. Ihm Vertrauen geschenkt. Ich habe mich in ihn verliebt.
    Wie fühlte er in Wirklichkeit? War von seiner Seite alles gelogen? Unsere langen Gespräche, die

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