Formbar. Begabt
liebevollen Gesten, das gemeinsame Lachen, die körperliche Anziehung – nur eine Täuschung, die ich bereitwillig akzeptiert habe?
Ich spüre meine zerschlagenen Gefühle so stark, dass ich sie als körperlichen Schmerz wahrnehme und am liebsten weinend zusammenbrechen würde. Aber diese Genugtuung werde ich ihm nicht auch noch geben.
Ich werde durch Jans Versuch, gegen die psychischen Fesseln anzukämpfen, die ich in einem abgelegenen Teil meines Gehirns aufrecht erhalte, aus meinen Elend gerissen. Mit dem kleinen Rest der mir gebliebenen Selbstachtung wappne ich mich gegen Jans Anblick.
Als ich den Kopf hebe, erkenne ich Spott und Geringschätzung in seinen Augen. Er grinst verächtlich. Wieder scheint es, als würde ein Messer in meinem Magen herumgedreht werden. Ich habe mich in meinem Leben noch nie so unzulänglich gefühlt wie in diesem Moment, in dem sich Jan an meiner Niederlage weidet. Obwohl er bewegungslos an der Tür steht, bin eindeutig ich die Verliererin im Raum.
Nachdem ich meine Fassung leidlich zurückgewonnen habe, fühle ich mich zwar nicht stark genug für die Konfrontation mit der weiterführenden Wahrheit, aber der Gedanke, ahnungslos zu bleiben, macht mich verrückt. Ich muss eine Möglichkeit finden, die letzten Wochen aus Jans Sicht zu erleben. Mein Gehirn wirkt wie benebelt, doch schließlich formuliere ich den passenden Impuls. Der Höflichkeit halber sollte ich die Aufforderung verbal übermitteln Allerdings bin ich Jan nichts schuldig. Ich kauere mich im Abstand von ungefähr zwei Metern vor ihm auf den Boden, ziehe meine Knie an und umschlinge sie mit meinen Armen. Ein kläglicher Schutz gegen die Verletzungen, die er mir noch zufügen wird.
Erzähle mir von unserer ersten Begegnung aus deiner Sicht!
Jan seufzt gelangweilt.
»Wirst du jetzt eine komplette Wiederholung der letzten Wochen fordern? Es war schon öde genug.«
Ich verstärke den mentalen Druck.
Sofort!
»An dem Montagnachmittag war ich mit Freunden in der Einkaufspassage, um neue Sportschuhe zu kaufen. Nachdem wir fündig geworden waren, wollten wir uns einen Kaffee zum Mitnehmen holen. Bis dahin war der Nachmittag wirklich schön, aber dann kamst du ins Spiel. Als ich gerade meinen Geldbeutel aus der Hosentasche gezogen hatte, spürte ich, wie mich jemand mit der Gabe unter psychischen Zwang setzte und den Befehl gab, mich umzudrehen. Direkt hinter mir saßt du mit deiner dämlichen Freundin, und ihr beide starrtet mich an. Ich konnte kaum fassen, dass ein solch unterentwickeltes Mädchen wie du in der Lage sein sollte, über diese Macht zu gebieten.« Sein Tonfall wird schneidend. »Und dann kam die überaus peinliche Situation mit der Kaffeetasse. Soll ich dir auch erklären, wie deine Ungeschicktheit auf mich wirkte?«
Ich spare mir eine Antwort und versuche, seinen Hohn nicht an mich heranzulassen. Leider nicht sehr erfolgreich, denn in mir zieht sich alles zusammen. Ich muss mehr erfahren. Ich darf jetzt nicht einknicken. Krampfhaft versuche ich, mich an unsere zweite Begegnung zu erinnern, damit ich einen konkreten Befehl geben kann.
Berichte aus deiner Sicht von unserem Treffen in der Pausenhalle!
Jan lacht humorlos.
»Das willst du ebenfalls hören? Wie du meinst. Ich stand im Flur und merkte, dass mich jemand anstarrte. Als ich mich umdrehte, standest du dort und hast mich angeglotzt wie ein Fisch. Schon da hast du mich mit Blicken auszogen. Ich kann mir gut vorstellen, was du dir ausgemalt hast. Und später jammern, wenn du bekommst, was du dir wünschst.« Er schüttelt entnervt den Kopf. »Und dann lächelst du mich so albern an. Du kannst froh sein, dass ich mich weggedreht habe, ohne in schallendes Gelächter auszubrechen.«
Krampfhaft bemühe ich mich um Fassung. Mir ist bereits schlecht, und ich befürchte, dass auch die weiteren Enthüllungen nicht zu meinem Wohlergehen beitragen werden – im Gegenteil. Und dann stellt sich noch die Frage, warum Jan diese ganze Täuschungsaktion überhaupt initiiert hat. Aber eines nach dem anderen. Viel schlimmer kann es nicht mehr werden.
Miris Party. Erzähle mir davon aus deiner Sicht!
»Willst du das wirklich alles durchkauen?«
Ich nicke und Jan verzieht das Gesicht.
Mach schon!
»Mir war klar, dass du auf dieser Party sein würdest, also habe ich Denise dorthin begleitet. Ich wollte dich überwachen und herausfinden, ob es häufiger vorkommt, dass du die Gabe unabsichtlich nutzt. Und du hast direkt die nächste Kostprobe deines Könnens
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