Forstchen, William
verdammt noch mal nicht, dass wir dem Präsidenten verantwortlich sind, nicht umgekehrt!«
Es wurde still im Raum. Seufzend stand Andrew auf und trat ans Fenster. Die schockierende Meldung wäre an und für sich ein bitterer Schlag gewesen, aber das konnte warten. Jetzt war da Hans zu bedenken.
Er fühlte sich benommen, als wäre ein Gespenst zurückgekehrt, das er endlich hatte begraben können. Und ich habe dich nicht gefunden, mein Freund! Ich habe nicht intensiv genug gesucht. Eine Woge aus Scham durchströmte ihn, Scham darüber, dass er einfach geglaubt hatte, was die Merki ihm sagten, und den Instinkt ignoriert hatte, der ihm irgendwie zugeflüstert hatte, dass Hans noch lebte. W 7 ie kann ich ihm da wieder ins Gesicht blicken?, fragte er sich.
»Andrew, das sieht übel aus«, sagte Pat schließlich.
Andrew drehte sich um.
»Mit dem Zug auf der Flucht, noch immer gute dreihundert Kilometer vom Fluss entfernt. Dann diese Festung, von der Jack gesprochen hat. Und die möchte er besetzen und dann hoffen, dass wir den Fluss heraufkommen?«
Pat schüttelte den Kopf und legte das Telegramm zur Seite.
»Wir holen ihn heraus. Mir ist egal, was dafür nötig wird. Wir holen ihn heraus.«
»Aber wie?«, mischte sich Emil ein.
Andrew ging zum Schreibtisch, nahm die beiden Telegramme zur Hand und las sie noch einmal gründlich. Dann ging er zur Tür und öffnete sie.
»Besorgen Sie die neuesten Positionsmeldungen von Bullfinch sowie die Angaben zu allen Schiffen der Zweiten Flotte!«, schrie er und brachte damit zwei seiner Stabsmitglieder im angrenzenden Raum auf Trab.
Er setzte sich, wartete schweigend und trommelte mit den Fingern auf dem Tisch. Eine Minute später platzte eine Ordonnanz herein und brachte die Tagesmeldungen und ein in Leder gebundenes Buch mit den Angaben für alle Schiffe der Flotte und ihre Bauweise.
Andrew blickte Pat an.
»Die Vicksburg ist das einzige Schiff vor Ort. Eine Korvette mit Holzflanken und sowohl mit Dampf als auch mit Segeln angetrieben.«
Er schüttelte den Kopf. »Sie würde auf dem Fluss von den Rammschiffen zerlegt.«
»Die Petersburg könnte es schaffen, falls wir sie finden.«
»Möchtest du wirklich einen Vorstoß flussaufwärts riskieren?«, fragte Emil.
»Was bleibt uns sonst übrig? Es ist die einzige Möglichkeit, die Flüchtlinge herauszuholen.«
»Wo wir gerade davon sprechen, den Bantag einen Kriegsgrund zu liefern«, seufzte Pat. »Es wäre auch ein Verstoß gegen die Befehle des Präsidenten. Er würde uns den Kongress auf den Hals hetzen.«
»Darüber, zerbreche ich mir später den Kopf.«
Heftig blätterte er im Schiffsbuch und nahm sich eine Sekunde Zeit für die Vicksburg. Vier Geschütze, Fünfzigpfünder mit gezogenen Läufen, Holzflanken. Er schüttelte den Kopf und suchte nach der Petersburg, dem einzigen bislang in Dienst gestellten Panzerschiff. Es hatte eine der Hundert-Pfund-Parrott-Kanonen am Bug und acht Fünfzöller mit gezogenen Läufen an den Seiten. Mit seinen seitlichen Schaufelrädern verdrängte das Panzerschiff nur knappe zwei Meter und wies eine fünf Zentimeter dicke Eisenpanzerung auf, unterstützt durch Eichenbalken.
Andrew schloss die Augen. Das Schiff war noch auf Testfahrt und hatte dafür Bullfinch an Bord. Derzeit war nicht mal die Position bekannt; die Befehle lauteten, nach Süden zu fahren, aber außer Sicht von landgestützten Spähern zu bleiben. Die einzige Alternative zur Petersburgbestand in der Franklin, einem Vier-Kanonen-Schiff mit Schraubenantrieb, das auf den ursprünglichen Konstruktionsentwürfen aus dem Carthakrieg beruhte. Sie lag jedoch immer noch im Dock und erwartete die abschließenden Ausrüstungsmaßnahmen. Selbst wenn sie sofort hätte in See stechen können, hätte sie mindestens zweieinhalb Tage benötigt, um nur die Flussmündung zu erreichen, und ihr Tiefgang betrug satte drei Meter.
Dann waren da noch ein halbes Dutzend leichte Korvetten, gut für Patrouillenfahrten, aber nutzlos dafür, gegen Widerstand flussaufwärts vorzustoßen.
Andrew saß schweigend da und lauschte dem Ticken der Uhr in der Ecke. Aus dem angrenzenden Zimmer hörte er den Telegrafisten die Depesche an Kai übermitteln. Unmöglich, dass Kai einem Einsatz zur Rettung ihres Freundes die Zustimmung verweigerte. Aber man durfte den Kongress nicht vergessen. Ein Vorstoß flussaufwärts war eine offene Kriegshandlung, und Andrew konnte sich gut vorstellen, dass einige in der Kammer lieber erst über das Thema debattieren
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