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Fortinbras ist entwischt

Fortinbras ist entwischt

Titel: Fortinbras ist entwischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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beim Bremsen fast auf die Hinterräder. Es war noch einmal gutgegangen. Aber der Fahrer nahm kein Blatt vor den Mund. Rufus, der ein äußerst sensibler Mensch war, stellte fest, daß er die Stadt keine Stunde länger ertragen konnte. Sehnsüchtig dachte er an die Ruhe von Shepherds Warning. Tantchen würde es ihm schon nicht übelnehmen, wenn er unangemeldet bei ihr auftauchte. Er ging in sein Hotel zurück und packte.
     
    «Wo ist eigentlich unser Boot?» fragte Gaylord, während er seine Cornflakes in sich hineinschlang.
    «Im Augenblick vermutlich an der Küste von Norfolk», sagte Opa.
    «Wie kommt es denn dahin?» fragte Gaylord.
    Niemand antwortete. Die Erwachsenen blickten auf Paps. Paps blickte auf seinen Teller. «Ich hatte es nicht ordentlich festgemacht», sagte er, «es hat sich losgerissen.»
    Gaylord war voller Verständnis. Ihm schienen die Befehlsgewalten folgendermaßen aufgeteilt: i. Der liebe Gott und Opa hatten den gemeinsamen Oberbefehl; 2. Mummi erließ die Gesetze und achtete auf ihre strenge Einhaltung; sie hörte alles, sah alles und führte das große Wort; 3. die Untertanen waren er, Paps, Schultz, Fortinbras. Deshalb hielt er immer zu Paps. Sie hatten nichts zu verlieren als ihre Sklavenketten. «Vielleicht hat es jemand losgemacht», gab er zu bedenken.

    Niemand ging darauf ein. «Jetzt sind wir völlig abgeschnitten», verkündete Gaylord fröhlich.
    Opa schlug mit der Faust auf den Tisch. «Seit Beginn der Katastrophe tut dieses Kind nichts anderes, als Schrecken und Panik zu verbreiten!» Er spießte wütend ein Stück Wurst auf. «Wenn’s nach ihm ginge, schlügen hier schon die Wogen über uns zusammen.»
    Gaylord war gekränkt. «Ich habe doch nur gesagt...»
    «Sei endlich still», sagte Opa grob.
    «Ist schon gut, mein Kind», sagte Mummi. Aber Gaylord hatte zu ihrem Erstaunen das Thema bereits aufgegeben und war zu einem neuen, spannenderen übergegangen. Es war ihm nämlich eingefallen, daß primitive Stämme gefällte Bäume zu Kanus aushöhlten.
    Gaylord fand die Idee faszinierend. Die primitiven Völker beschäftigten seine Phantasie unentwegt. Bei ihnen war alles so farbig und eigenartig, wenn er nur an die Blasrohre und die Menschenfresser dachte. Gaylord überlegte, wieviel amüsanter es wäre, so einem primitiven Volk anzugehören statt einem zivilisierten.
    Auf der Koppel lag eine vom Sturm gefällte Ulme. Gaylord holte sein Taschenmesser.
    Paps, der gerade seinen Morgenspaziergang machte, um einen klaren Kopf zu bekommen, blieb stehen.
    «He, alter Knabe, was machst du denn da?»
    «Ich mach mir ein Kanu aus einem Baum.»
    «Bravo!» sagte Paps. «Schneide dich nur nicht in den Finger.»
    Mummi, die Wäsche aufhängte, rief: «Was machst du da?»
    «Ich mach mir ein Kanu aus einem Baum.»
    «Schneide dich nur nicht in den Finger», sagte Mummi.
     
    Opa und Mrs. Darling standen da und sahen ihm zu. «Allen Kindern macht es Spaß, ihre Initialen in Rinden zu ritzen», sagte Mrs. Darling.
    «Exegi monumentum, vermutlich», sagte Opa.
    «Ich ritze keine Initialen», sagte Gaylord empört. «Ich mach mir ein Kanu aus einem Baum.»
    «Wenn du mit dem Stamm fertig bist, wirst du zu alt sein, Kanu zu fahren», sagte Opa unfreundlich. Mrs. Darling und er gingen weiter. «Schneide dich nur nicht in den Finger», rief er über die Schulter zurück.
    Gaylord war wütend. Da arbeitete er nun im Schweiße seines Angesichts, um ihnen allen das Leben zu retten, und das einzige, was die Erwachsenen zu sagen wußten, war, er solle sich nicht in den Finger schneiden. Erwachsene waren ihm einfach unbegreiflich. Sie hatten kein Gefühl für Gefahr und konnten Wichtiges nicht von Unwichtigem unterscheiden. Sie lebten nur dem Augenblick - und dabei stieg die Flut höher und höher. Man konnte nur hoffen, daß sie wenigstens dann eine Spur von Dankbarkeit zeigten, wenn er sie in seinem Kanu in letzter Minute rettete.
    «Was machst du denn da?» fragte eine Stimme. Gaylord sah nicht einmal auf und schnitzte weiter. «Ich mach mir ein Kanu aus einem Baum», sagte er.
    «Das ist mal eine gute Idee», sagte die Stimme. «Dann kannst du mich ja, wenn du fertig bist, nach Shepherds Warning rudern.»
    Endlich jemand Vernünftiges. Gaylord blickte auf und sah in das freundliche, lächelnde Gesicht von Mrs. Twegg. Er lächelte zurück. «Das will ich gern tun, Mrs. Twegg», sagte er ganz glücklich.
    «Letztes Jahr habe ich einen Tischler-Kursus besucht», sagte sie. «Ich habe ein Bügelbrett

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