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Fortinbras ist entwischt

Fortinbras ist entwischt

Titel: Fortinbras ist entwischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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schreiben. Er mußte einfach. Er griff nach seinem Füllfederhalter. Die Tür öffnete sich. May trat ein. Sie lächelten sich an. May ging auf ihn zu und legte ihre Hand zärtlich auf seine Schulter. Erschöpft und dankbar lehnte er seinen Kopf an ihren vollen weichen Arm. «Sie brauchen dich als vierten zum Bridge», sagte sie.
    «Wozu?» schrie er. Er wollte eigentlich schlafen gehen, mußte aber noch ein paar Seiten schreiben, und nun sollte ihm weder das eine noch das andere vergönnt sein, statt dessen sollte er sich dem verhaßten Spiel widmen. Eine geradezu groteske Zumutung. Zum Teufel, nicht einmal einen Galeerensklaven hätte man nach langer Tagesfron zum Bridgespiel gezwungen. «Sag ihnen, sie sollen Mrs. Twegg holen», sagte er verärgert.
    «Sie spielt kein Bridge, außerdem ist heute Donnerstag, da dichtet sie doch.»
    «Und ich in drei Kuckucks Namen muß schließlich auch dichten!»
    Sie setzte sich zu ihm auf die Schreibtischkante. «Liebling, ich würde so gerne eine Partie spielen, und es ist so selten, das wir zu viert sind.»
    Das war natürlich etwas ganz anderes. Mays Bitte konnte er nicht widerstehen... Fünf Minuten später begann die
    Tortur. «Ein Treff», sagte Mrs. Darling. «Passe», sagte May. «Ein Pik», sagte Opa. Sie warteten. «Siehe da», sagte Jocelyn, «da habe ich ja noch eine Karte mehr, von der ich gar nichts wußte.» Er sortierte alles neu. «Es ist so lange her, daß ich gespielt habe», entschuldigte er sich und versuchte, ein Gähnen zu unterdrücken. «Gibt es bei diesem Spiel eigentlich einen Joker?»
    «Nein, du Dummer», sagte May kurz.
    Sie warteten. «Vier Sans Atout», sagte Jocelyn.
     
    Opa und Mrs. Darling gewannen drei Rubber. Opa paffte gemütlich seine Zigarre und war bester Stimmung. Aufgeräumt sagte er zu Jocelyn: «Wirklich erstaunlich! Ein Mann von deiner Intelligenz! Mit deinen Romanfiguren manövrierst du herum, daß es nur so eine Art hat! Mordsclever, muß ich sagen, aber bei einem simplen Kartenspiel...»
    «Darauf fällst du doch hoffentlich nicht herein, Schwiegervater?» sagte May. «Das ist weiter nichts als Sabotage bei ihm.» Sie warf Jocelyn einen wütenden Blick zu.
    O Gott, nein, dachte Jocelyn, ich werde doch nicht schon wieder in Ungnade fallen. «Allen Ernstes, May», sagte er, «Bridge ist mir eigentlich immer ein Buch mit sieben Siegeln geblieben.»
    «Ein Culbertson warst du allerdings nie», sagte sie, «aber so verheerend wie heute abend hast du noch nie gespielt.»
    Bis jetzt hatten sie ihre kleinen Streitereien immer unter vier Augen ausgetragen. Nun hatte May diese Grundregel schon zum zweitenmal verletzt. Das konnte nur an diesem schrecklichen Frauenzimmer, dieser Darling liegen. Je eher sie das Haus verließ, desto besser. Nun, vielleicht würde es nicht mehr lange dauern. Heute hatte es kaum geregnet, und als er zur Teezeit ans Barometer geklopft hatte, war es sogar etwas gestiegen. Höchstens noch zwei Tage, dachte er, und ich werde das Vergnügen haben, die Damen wieder ins zu befördern.
    Mrs. Darling zog ihre Stola enger um die Schultern und erhob sich. Alle erhoben sich. Sie nickte May und Opa zu. «Vielen Dank», sagte sie, «es war reizend.» Jocelyn übersah sie. Ein Mann, der Boote genauso leicht verlor wie Rubber, war ihrer Beachtung offensichtlich unwürdig.
    Opa sagte strahlend: «Das Vergnügen war ganz auf unserer Seite, liebe gnädige Frau. » Er ging voraus, um ihr die Tür zu öffnen.
    «Ich komme mit Ihnen, Mrs. Darling», sagte May, «vielleicht brauchen Sie noch irgend etwas.» Sie wandte sich an Jocelyn. «Ich gehe jetzt nach oben, wir sehen uns noch.» Es klang wie eine Drohung.
    Opa schenkte zwei Whisky ein. «Verdammt attraktive Person», sagte er.
    «Wer?» fragte Jocelyn, vor Müdigkeit schwankend.
    «Helena, natürlich», sagte Opa, eine Spur verlegen.
    «Helena?»
    «Verdammt! Mrs. Darling!» Wirklich, sein Sohn konnte sich aber auch zu dumm anstellen.
    Jocelyn spürte, wie eine Welle der Müdigkeit über ihn hinwegrollte. «Woher weißt du, daß sie Helena heißt?» Vor Schlaf konnte er kaum noch den Mund aufmachen.
    «Weil sie es mir gesagt hat.» Unter seinen buschigen Augenbrauen funkelte er seinen Sohn an. «Guter Gott, Mann, glaubst du denn, sie hat sich ihren Namen auf die Brust tätowieren lassen?»
    Jocelyn rekelte sich im Stuhl, er hatte die Beine weit von sich gestreckt und balancierte gefährlich ein Glas auf seinem langen Oberschenkel. Sein Vater ließ sich ebenfalls in

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