Fortinbras ist entwischt
Twegg errötete. «Oh, Mr. Darling, das geht doch nicht. Was würden denn die Leute in Shepherds Warning dazu sagen?»
«Ich glaube», sagte er, «wenn Sie erst einmal am Limpopo sind, wird Ihnen Shepherds Warning bald sehr klein und provinziell Vorkommen.» Er lächelte sie ermunternd an und kam sich sehr diplomatisch vor. «Hier hält Sie doch nichts zurück, oder irre ich mich da?»
«Nein. Ich habe keine Kinder», sie lachte, «aber ich weiß nicht, wie Ihr Tantchen ohne mich fertig werden soll.»
«Sie wird schon zurechtkommen.» Er schwieg. Dann sag- . te er behutsam: «Erzählen Sie mir doch etwas von Ihrem Mann.»
«Von Tom? Er war nett. Hatte Sinn für Humor. Sehr gesprächig war er nicht. Rauchte Pfeife. Die fiel einem irgendwie sofort auf.»
«Er starb, nicht wahr?» fragte Rufus.
«Ja, auf unserer Hochzeitsreise. Komisch», sagte sie, «wenn er nicht gestorben wäre, hätte ich für ihn gekocht und seine Kinder aufgezogen, viel miteinander geredet hätten wir sicher nicht. Wir hätten wohl auch nicht viel Grund dazu gehabt.» Sie blickte gedankenverloren in die Abendröte. Dann sagte sie: «Ich hätte gewiß niemals etwas über soziale Probleme oder die Schriftstellerei gehört oder Russisch gelernt. Mein Mann und meine Kinder wären für mich alles gewesen. Trotzdem wäre mein Leben so reicher gewesen, als es jetzt ist, komisch, nicht wahr?»
«Aber das Leben liegt doch noch vor Ihnen, in jeder Hinsicht», sagte er.
Sie schwieg. Aber als sie wieder bei dem kleinen Gatter anlangten, das zur Koppel führte, sah sie ihn mit ernstem Blick an und sagte: «Es tut mir wirklich schrecklich leid, Mr. Darling, aber ich glaube, es ist besser, wenn wir nicht mehr zusammen Spazierengehen.»
Sie legte ihre Hand auf das Gatter, eine Hand, die Spuren harter Arbeit verriet, eine gute, kräftige, fürsorgliche Hand.
Er sah, wie ihr Blick darauf fiel, dann zog sie sie zurück, als hätte sie Angst, daß er sie ergriff.
Ihre Worte hatten ihn bis ins Innerste getroffen. «O Gott», sagte er. «Ich... ich kenne mich wenig mit Frauen aus, habe ich etwas gesagt, das Sie verletzt hat?»
«Nein», sagte sie lachend, «davon kann keine Rede sein. Nur... ich bin schließlich nur eine einfache Frau und arbeite für Ihre Tante.»
«Aber Unsinn!» sagte er rasch.
Sie sahen sich lange schweigend an. Dann sagte sie: «Es ist nicht nur das. Da ist auch noch etwas anderes. Tom.»
«Aber Tom ist doch tot», sagte er still.
«Ich möchte aber, daß er hier in Frieden ruht.» Und dabei zeigte sie auf ihr Herz. «Können Sie das verstehen?» fragte sie.
«Ja, natürlich, aber...» stammelte er verwirrt, «aber ich kann beim besten Willen nicht begreifen, warum wir deshalb nicht zusammen Spazierengehen sollen; oder warum ich Sie nicht fragen darf, ob Sie mit mir nach Afrika kommen wollen.»
Sie blickte ihn lange und nachdenklich an; plötzlich lächelte sie. «Nein», sagte sie, «das können Sie auch nicht begreifen.» Er öffnete das Gatter. Sie ging hindurch und wandte ihm ihr Gesicht noch einmal zu. «Ich glaube, Mr. Darling, Sie sind zu bescheiden, um je die Antwort auf diese Frage zu finden», sagte sie sanft.
Perlmutterglanz lag in der stillen Abendluft. Jocelyn schlenderte den Hügelpfad entlang und kaute auf seiner kalten Pfeife. Aber er war zufrieden. Er liebte den Herbst; diese Jahreszeit stimmte mit seiner leicht melancholischen Veranlagung überein. Außerdem ging das Wasser zurück. Und soweit er etwas vom Wetter verstand, war dieser stille und liebliche Abend ein gutes Zeichen. Noch ein paar Tage und Mrs. Darling hätte keinen Grund mehr, länger bei ihnen zu bleiben. Es sei denn... aber er glaubte nicht, daß die Gefühle, die sein Vater der Darling entgegenbrachte, sich in diesen wenigen Tagen so vertiefen könnten. Und aus dem Auge, so hoffte er inständig, hieße dann auch aus dem Sinn.
Ja, bald würden sie das Haus wieder für sich allein haben. Der Winter rückte langsam näher. Er liebte den Winter. Der Sommer war manchmal wie eine spröde, launische Geliebte. Aber der Winter konnte wie eine warmherzige Ehefrau sein, vorausgesetzt, Kamin und Küche waren wohl versorgt.
Aber es war ja noch Herbst. An diesem stillen Abend fielen die Blätter lautlos von den Zweigen. Im Sand zu seinen Füßen entdeckte er einen verspäteten Marienkäfer. Er ließ ihn vorsichtig auf seinen Fingern kriechen. Ein Marienkäfer, dachte er, wie rührend. Und er versuchte, sich die Zeiten vorzustellen, wo die Menschen noch
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