Fortunas Odyssee (German Edition)
gerade aus der Toilette kam, mit solcher Wucht in den Bauch, dass er auf dem Flur vor lauter Schmerzen zusammenbrach. Fred erfuhr durch die redselige Micaela von Joãos Provokationen, wusste aber nicht, was er tun konnte, um seinem Bruder zu helfen. Er erzählte nichts zu Hause aus Angst, dass Mama etwas Gefährliches von ihm erbitten könnte, nämlich Tim zu schützen.
Am nächsten Tag heulte João über den Tod seines Katers, den er aufgeschlitzt auf dem Schulweg gefunden hatte. Der Krieg trifft immer die Unschuldigen.
Einerseits hatte ich meinen Spaß mit den Kindern, andererseits war ich besorgt wegen Papa, der jeden Tag in den Mercadinho do Genésio ging.
Genésio Fritz war Pinkel-Joãos Vater und einer der reichsten Männer der Stadt und der Gegend. Er war Witwer und über den Tod seiner Frau Cecilia war wenig bekannt.
Außer einem imposanten Haus und dem Geschäft besaß er auch eine Fazenda am Stadtausgang. Dort wohnten viele Familien, die von Sklaven abstammten und für einen Hungerlohn schufteten. Sie arbeiteten in den Kaffeeplantagen, auf den Mais- und Bohnenfeldern und hüteten Vieh. Sie vegetierten in einfachen Lehmhütten dahin. Oft versammelten sie sich um ein Lagerfeuer, wo sie Fleisch grillten, tranken, sangen und tanzten, um auf diese Weise ein wenig ihrem Sklavenleben zu entfliehen. Sie gingen barfuß, waren fast nackt und suchten niemals einen Arzt oder Zahnarzt auf, geschweige denn eine Schule. Wenn sie sich zum Schlafen auf ihre Pritschen unter freiem Himmel legten, sprachen sie mit den Sternen und träumten von ihrer Freiheit. Sie hielten brüderlich zusammen, erzählten von ihren Vorfahren, lachten miteinander und gaben sich gegenseitig Kraft und bedingungslose Liebe.
Aber es gab nicht nur Licht, sondern auch dunkle Seiten des Zusammenlebens in diesen Arbeiterfamilien. Das personifizierte Übel hieß Rufino, Vorarbeiter auf der Fazenda und Stammkunde im Bordell Fiore. Er war ein großer dünner Mann mit roter Haut und stechendem Blick, der mit seinen Gemeinheiten sogar den Teufel in die Tasche steckte. Seine Lieblingsbeschäftigung bestand darin, andere zu quälen oder zu demütigen. Nicht einmal Kinder entkamen seiner Bosheit und seiner widerlichen Art zu sprechen. Seine Anwesenheit bedeutete Unheil, aber das Unheil traf niemals Rufino selbst. Er hätte sogar einem Diktator noch wertvolle Tipps geben können, wie man die Untergebenen im Alltag schikaniert und ausbeutet. Einmal öffnete er die Essensbehälter der Arbeiter und entnahm ihnen so viel Fleisch, wie er essen konnte, alles vor ihren Augen. Sie wussten, was das bedeutete: Sie würden das restliche Fleisch untereinander aufteilen müssen. Sie taten weiter ihre Arbeit, aber die Versuchung, dem Vorarbeiter mit der Sichel oder der Spitzhacke den Garaus zu machen, war allgegenwärtig.
Manchmal kam ein Mann, der auf einer anderen Fazenda arbeitete, vorbei, um Rufino zu helfen. Niemand kannte seinen Namen, für alle war er der wilde Hund, und dieser Spitzname passte zu seiner Erscheinung.
Der Fazendabesitzer war ein riesiger übel riechender Mann mit grünen Augen und einem massigen Körper. Er trug einen Schnurrbart, dessen Enden schneckenförmig eingerollt waren. Genésio blieb die Woche über in der Stadt, aber sonntags besuchte er immer seine Fazenda, um alles und alle gründlich zu inspizieren. Eine verlorene Kaffeebohme auf dem Boden war für diesen Koloss ein Grund, das Mittagessen seiner Arbeiter zu streichen. Seine Mutter, Dona Ágata Fritz, wohnte in der Fazenda, und obwohl sie alt und müde war, zeigte sie keine Anzeichen von geistiger Demenz. Er hatte von ihr die schlechte Laune und den Mangel an Geduld geerbt. Die Magd Vicenta wurde unter den anderen jungen Mädchen der Fazenda ausgewählt und war nun für alle Dienste in seinem Anwesen in der Stadt zuständig. Irgendwann war sie schwanger, und das Ergebnis dieses Verbrechens – damals gang und gäbe – war João, der Pinkel-João.
In diesen Zeiten regte sich niemand über dieses Vergehen auf. Kinder- und Menschenrechte waren unbekannte Begriffe.
Vicenta war nicht in der Lage, Genésio zu hassen, aber wenn sie mit ihm schlafen musste, weinte sie innerlich und wünschte sich, sie wäre als Mann zur Welt gekommen.
An einem Nachmittag ging ich in seinen Laden, in dem von Stricknadeln bis zu Baumaterial alles verkauft wurde, natürlich auch Produkte seiner Fazenda wie Mais und Bohnen. Ich kam dort nach Schulschluss an und sah, wie João beim Abladen der ankommenden Waren
Weitere Kostenlose Bücher