Fortunas Odyssee (German Edition)
Fordmodelle auseinanderzunehmen, nur um ihren Aufbau zu verstehen und bescherte damit seinem Vater einen Extrajob: Er musste sie anschließend wieder zusammenbauen. Papa beschwerte sich nie über diese Arbeit, sondern ging lächelnd mit den Einzelteilen in seine kleine Werkstatt, die in einem Zimmer neben der Küche lag. Es machte ihm Spaß, die Spielzeuge wieder zusammenzufügen. Oft reparierte er auch andere Haushaltsgegenstände, die im Laufe der Zeit kaputt gingen. Tim beobachtete ihn, wenn er sich über die Teile beugte und seinen Autos wieder neues Leben verlieh, wobei er gern vor sich hinpfiff. Er war fasziniert davon, wie die geschickten Hände des Vaters mit seinem Spielzeug umgingen.
Ich hatte meinen Vater immer bewundert und wollte sein wie er, wenn ich einmal größer bin. Er war geschickt, klug und ausdauernd, und er wusste, wie man Dinge repariert.
Es wurde problematisch, als Tim sich nicht mehr für seine kleinen Autos interessierte, sondern für größere Objekte wie zum Beispiel Fahrräder. Er vernachlässigte seine Hausaufgaben, denn diese neue Erfahrung war viel spannender. Er zerlegte selbst sein Fahrrad im Vorgarten und fügte es Stück für Stück wieder richtig zusammen. Zuerst reparierte er nur sein Fahrrad, später auch Freds und Papas Räder. Das ging so weit, dass er seinen Vater bat, bestimmte Teile zu kaufen, um sein Fahrrad zu verstärken, was ihm viel Gelächter zu Hause einbrachte.
Dort hatte ich mein Talent für den Maschinenbau entdeckt, und während ich Tim beobachtete, kam mir der Engländer Thomas Savery in den Sinn, der der Mechanik im 17. Jahrhundert einen gewaltigen Impuls verliehen hatte.
Im ersten Jahr meiner Reise musste ich etwas mitansehen, das mich schockierte und traurig stimmte. Ich wurde nämlich Zeuge, wie Judith, die Hexe, von ihrem eigenen Ehemann verprügelt wurde. Er kam nach Hause und verpasste ihr Schläge, die sie wirklich verletzten. Die ungezügelte Wut dieses gewissenlosen Mannes entlud sich über seiner wehrlosen Frau, die ohnehin unter ihrer Einsamkeit litt. Sie war wie ein Sandsack für einen unersättlichen Boxer – für einen feigen Boxer!
Sowohl Tim als auch Fred hatten im Dezember Geburtstag, Tim am Anfang und Fred am Ende des Monats. Aus Gründen der Sparsamkeit wurde immer nur ein Fest gefeiert.
Jede Menge Freunde, manche in Begleitung ihrer Eltern, kamen und brachten kleine Geschenke mit. Das Geschenk, das Tim am besten gefiel, hatte er von Popel-Gil bekommen. Gil wusste, dass Tim Spielzeugautos sammelte und bat seinen Vater, eins zu kaufen, um es ihm zu schenken. Der Bürgermeister, der ständig aus beruflichen Gründen in die Hauptstadt fuhr, brachte das Modell eines Ford-Lasters aus dem Jahre 1931 mit. Für Tim war es eine unerwartete Überraschung, und die anderen Geschenke waren im Vergleich dazu unbedeutend. Selbst den Rosenkranz aus portugiesischem Edelholz, den er von Tante Geórgia bekommen hatte, ließ er links liegen. Sie war Papas einzige Schwester, wohnte in der Hauptstadt und kam selten nach Madrigal, weil sie angeblich nie Zeit zum Reisen erübrigen konnte. Trotzdem schickte sie jedes Jahr ein kleines Geschenk mit einer kurzen Botschaft. »Für Fred und Tim mit herzlichen Grüßen von eurer Tante, die euch liebt.«
Einmal hat sie uns ein bisschen über ihre Kirchenarbeit und ihr Leben in der Hauptstadt erzählt und bedauerte, dass sie mann- und kinderlos geblieben war. Als junges Mädchen wollte sie Nonne werden. Aber nach einer längeren Zeit als Novizin gab sie die Idee auf. Tim beachtete seinen Rosenkranz nicht, während Fred, der auch einen bekommen hatte, ihn fest mit seiner Hand umschloss. Tereza nahm den herumliegenden Rosenkranz und betrachtete ihn eine lange Zeit. Er war bestimmt nicht billig gewesen, wenn auch nicht so teuer wie dieses rote Modellauto, das Tim unter seinen Arm geklemmt hatte. Niemand durfte es berühren, höchstens anschauen.
Papa hielt eine kleine Rede, bedankte sich für die Anwesenheit aller und wünschte seinen beiden Söhnen viel Glück. Ich umarmte ihn kräftig.
Am letzten Tag des Jahres ging die ganze Familie nach dem Abendessen früh ins Bett. Tereza kochte, während Mama den Nachtisch vorbereitete und Papa über sein Kofferradio Nachrichten hörte. Am Nachmittag hatten Fred und Tim ein Radrennen am Stadtausgang veranstaltet. Gelegentlich begegneten ihnen Zweispänner, deren Pferde ihre Spuren auf der festgefahrenen Erde hinterließen. Die grünlichen Pferdeäpfel auf dem Weg waren alles
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