Fortunas Odyssee (German Edition)
helfen musste. Daher kamen diese starken Arme und sein brutales Verhalten in der Schule, besonders Tim gegenüber. Sein Vater beobachtete ihn und knurrte wie eine bissige Bulldogge, während er einen Stapel von Ziegelsteinen ablud.
»Pass auf, Rotzbengel, lass nichts fallen!«
Dann wandte er sich an den Arbeiter.
»Wie viele Fuhren sind’s noch?«
»Nur noch zwei«, antwortete der athletische Farbige namens Kaluga, ein Sklave der Fazenda. Er war der Sohn der Witwe Esperanza, die als Köchin und Haushilfe für Dona Ágata arbeitete.
Kaluga karrte ständig Ziegelsteine, Säcke mit Mais und Bohnen und alle Arten von Gemüse zum Laden in der Stadt. Er ging barfuß und hatte immer dieselbe alte Hose an, die von einem Gürtel, den er sich selbst aus einem alten Bohnensack gefertigt hatte, gehalten wurde. Seine beinahe perfekte Figur und die großen breiten Füße standen im Kontrast zu seiner ruhigen Stimme und seinem freundlichen Blick. Er war einer der wenigen Arbeiter, die lesen und schreiben konnten. Er hatte es bei Cecília gelernt, die ihm mit viel Geduld Wörter und Zahlen, Grammatik und Mathematik beigebracht hatte. Vielleicht wurde er deshalb mehr als die anderen Arbeiter von Genésio respektiert.
Im Laden sah man Gummistiefel in Blecheimern und Stoffe neben Schirmen und Regencapes. Der eintretende Kunde musste aufpassen, dass er nicht mit seinem Kopf gegen Spaten, Salamis, Besen oder andere Gegenstände stieß, die von der Decke herabhingen. Genésio stand furzend hinter dem Tresen und beobachtete argwöhnisch jede Bewegung der Käufer, die er allesamt für Diebe hielt. Vielleicht tat er dies deshalb, weil er selbst einer war und seine Kunden betrog, wo es möglich war.
Aber der Ort, den die männlichen Kunden am meisten liebten, war ein kleiner Raum hinter dem Laden, der von einer Funzel notdürftig beleuchtet wurde und von der Straße aus nicht einsehbar war. Er war das Paradies der Alkoholiker. Dort bot Genésio die verschiedensten Arten von Schnaps für die Kehlen seiner nicht besonders wählerischen Kunden an. Sie kämpften sich eilig durch das Wirrwarr im Laden, um zu diesem geweihten Ort zu gelangen. In den Regalen standen Schnapsflaschen, in denen Schlangen, Skorpione, Kräuter und andere Dinge konserviert waren, von denen Wunderdinge erwartet wurden. Diese Schnäpse waren doppelt so teuer wie die normalen, und Genésio stellte sie absichtlich dorthin, wo sie am besten zu sehen waren. Die Flaschen leerten sich in Windeseile, und der clevere Wirt füllte sie sofort nach. Mit Sicherheit fehlte dort niemals die Cachaça Especial, die aus einem Liter Schnaps mit einem darin aufbewahrten giftigen Tier bestand. Die Männer glaubten ungebrochen an deren angebliche Wunderwirkung.
Wenn ein Kunde ihn bat, seine Zeche anzuschreiben, um sie am Ende des Monats zu bezahlen, korrigierte der Kneipenwirt die Zahlen immer zu seinen Gunsten und schrieb mehr auf, als der Kunde konsumiert hatte. Dieser wusste in seinem Zustand sowieso nicht mehr, wie viel er getrunken hatte und torkelte nach Hause oder wurde getragen, wenn sich jemand bereitfand, die anschließenden Beschimpfungen der Ehefrau mit anzuhören.
Als ich sah, wie Papa immer tiefer im Alkoholsumpf versank, fühlte ich, dass sich etwas Schlimmes ereignen würde. Ich unterhielt mich darüber mit dem Hexer, der irgendwann auf dem Kirchhügel an meiner Seite auftauchte. Dort oben beobachtete ich, wie der Tag zu Ende ging und reflektierte über die Dinge, die ich als Kind nicht begriffen hatte. Seltsamerweise kam mir alles neu vor.
Er pflückte irgendeine Pflanze, nahm sie in seinen Mund und drehte langsam ihren Stängel, während er mir zuhörte. Danach brach er das Schweigen.
»Tim, das Leben ist kurz, je nachdem, aus welchem Blickwinkel wir es betrachten.«
Ich dachte, in dieser Pflanze sei vielleicht eine Droge enthalten und ging nicht weiter auf das Thema ein, sondern stand auf, um zur Straße zu laufen, in der wir wohnten.
Die Nachbarin, die uns gegenüber wohnte, hieß Kita, und viele nannten sie Kita Klatschtante. Diese kleine Frau mit den runden Backen und dem zahnlosen Mund war Witwe und verbrachte mehr Zeit an ihrem Fenster als sonst irgendwo. Oft sahen wir sie dort beim Mittagessen. Wenn jemand auf dem Bürgersteig vorbeikam, versuchte sie, ihn in ein Gespräch zu verwickeln.
»Ich habe gehört, dass Seu Chiquito Kühe, Schweine und Hühner geschlachtet hat, um seine silberne Hochzeit zu feiern. Das wird ein Riesenfest«, sagte sie mit vollem
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