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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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worden, da sie nicht imstande war, auf fünf Fuß Entfernung einen Esel zu treffen. Aber wenn sie auch im Zielen kein Meister war, hatte sie doch ihre Fähigkeit, sich unsichtbar zu machen, noch verfeinert. Sie konnte in die Dörfer reiten, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, und sich unter die Gruppen der Hispanos mischen, wo ein Junge ihres Aussehens unbeachtet blieb, sie hatte den peruani– schen und mexikanischen Tonfall bis zur Perfektion nach– zuahmen gelernt und konnte so als einer der Ihren durchgehen, wenn sie gastliche Aufnahme suchte.
    Sie vertauschte auch ihr britisches Englisch gegen das amerikanische und eignete sich bestimmte Schimpfworte an, die unerläßlich waren, wenn sie von den Gringos akzeptiert werden wollte, denn sie hatte gemerkt, daß sie respektiert wurde, wenn sie so sprach wie sie; das Wichtigste war: keine Erklärungen abgeben, so wenig wie möglich reden, um nichts bitten, für ihr Essen arbeiten, Provokationen überhören und sich an eine kleine Bibel klammern, die sie in Sonora gekauft hatte.
    Selbst die Rüdesten hegten eine abergläubische Ehr– furcht vor diesem Buch. Sie staunten über diesen bartlosen Jungen mit der Mädchenstimme, der abends in der Heili– gen Schrift las, aber sie machten sich nicht offen darüber lustig, im Gegenteil, einige schwangen sich zu seinen Beschützern auf und waren bereit, sich mit jedem zu prügeln, der es gewagt hätte, ihn auszulachen. In diesen einsamen und vielfach brutalen Männern, die auf die Suche nach dem Glück ausgezogen waren wie die mythischen Helden des alten Griechenland und sich jetzt auf das Allernotwendigste beschränkt sahen, in diesen häufig kranken, zur Gewalt neigenden und dem Alkohol verfallenen Männern lebte noch eine uneingestandene Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Ordnung.
    Bei romantischen Liedern wurden ihnen die Augen feucht, für ein Stück Apfeltorte zahlten sie jeden Preis, weil es ihnen einen kurzen Trost gegen das Heimweh schenkte; sie machten lange Umwege, um zu einem Haus zu kommen, in dem es ein Kind gab, und beobachteten es schweigend, als wäre es ein Wunder.
    »Hab keine Angst, ich reite nicht allein, das wäre Wahnsinn«, schrieb Eliza an ihren Freund. »Man muß sich an große Gruppen halten, die gut bewaffnet und wachsam sind, denn in den letzten Monaten haben sich die Banden der Straßenräuber vervielfacht. Die Indianer sind eher friedlich, auch wenn sie zum Fürchten aussehen, aber wenn sie einen schutzlosen Reiter vor sich haben, kann es schon passieren, daß sie ihm seinen begehrenswertesten Besitz wegnehmen: Pferde, Waffen und Stiefel. Ich schließe mich anderen Reisenden an: Händlern, die mit ihren Waren von einem Ort zum andern ziehen, Gold– gräbern auf der Suche nach neuen Adern, Farmerfamilien, Jägern, Unternehmern und Grundstücksmaklern, die neu– erdings Kalifornien heimsuchen, Spielern, Revolverhel– den, Advokaten und anderen Gaunern, die im allgemeinen die unterhaltsamsten und großzügigsten Reisegefährten sind. Hier wandern auch Prediger herum, sie sind meistens jung und kommen einem vor wie erleuchtete Verrückte. Denk dir doch nur mal, wie groß der Glaube sein muß, wenn einer dreitausend Meilen durch unberührte Prärien reist, nur um gegen die Laster fremder Menschen anzu– kämpfen. Sie verlassen ihre Dörfer voller Kraft und Leidenschaft, weil sie beschlossen haben, das Wort Christi in diese entlegene Gegend zu bringen, ohne sich um die Hindernisse und Unglücksfälle zu kümmern auf ihrem Weg, weil Gott an ihrer Seite ist. Sie nennen die Gold– sucher ›Anbeter des goldenen Kalbes‹. Du mußt die Bibel lesen, Tao, sonst wirst du die Christen nie verstehen. Diese Prediger werden nicht von materiellen Schicksalsschlägen besiegt, aber viele unterliegen mit gebrochenem Herzen, weil sie hilflos sind gegenüber der alles überwältigenden Macht der Gier. Es ist ermutigend, sie zu sehen, wenn sie gerade ankommen und noch ganz unschuldig sind, und es ist traurig, ihnen zu begegnen, wenn sie, von Gott verlassen, mühsam von einem Lager zum anderen ziehen, durstig unter einer fürchterlichen Sonne, auf Plätzen und in Kneipen vor einem gleichgültigen Haufen predigen, der ihnen zuhört, ohne den Hut abzunehmen, und sich fünf Minuten später mit Huren besäuft. Ich habe eine Gruppe wandernder Schauspieler kennengelernt, Tao, ein paar arme Teufel, die in den Dörfern die Leute mit Pantomi– men, anzüglichen Liedern und derben Schwanken erhei– tern. Ich bin mit ihnen

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