Fortunas Tochter
einen Postdienst nach Sacramento gab. Es war, als würfe man eine Flaschenpost ins Meer, denn sie wußte ja nicht, ob er noch dort lebte, und die einzige sichere Adresse, die sie hatte, war die des chinesischen Restaurants. Wenn ihre Briefe es bis dahin schafften, dann würde er sie auch bestimmt erhalten.
Sie erzählte ihm von dem wundervollen Land, von der Hitze und dem Durst, von den sanft geschwungenen Hügeln, von den starken Eichen und den schlanken Pinien, den eisigen Flüssen mit so klarem Wasser, daß man das Gold auf ihrem Grund funkeln sah, den Wildgänsen, die mit hartem Schrei über ihr dahinzogen, den Hirschen und den großen Bären, von dem rauhen Leben der Goldsucher und vom Blendwerk des leichten Glücks. Sie schrieb, was sie beide schon wußten: daß es nicht lohnte, das Leben mit der Jagd nach gelbem Staub zu vergeuden.
Und sie ahnte, was Tao antworten würde: daß es eben– sowenig Sinn habe, es mit der Jagd nach einer illusori– schen Liebe zu verschwenden, aber sie setzte ihren Weg fort, weil sie nicht stehenbleiben konnte. Joaquín Andieta begann in der Ferne zu verschwinden, selbst ihr gutes Gedächtnis konnte seine Züge nicht mehr in aller Klarheit herbeirufen. Sie mußte wieder seine Liebesbriefe lesen, um sicher zu sein, daß es ihn wirklich gegeben hatte und daß die Nächte im Zimmer der Schränke keine lügnerische Erfindung ihrer Einbildungskraft waren. So erneuerte sie die süße Qual der einsamen Liebe. Sie beschrieb Tao Chi’en die Menschen, die sie unterwegs kennenlernte, die Massen von mexikanischen Einwanderern, die in Sonora untergebracht waren, dem einzigen Ort, wo Kinder über die Straßen rannten, beschrieb die bescheidenen Frauen, die sie in ihren aus Luftziegeln gebauten Häusern freundlich aufnahmen, ohne zu ahnen, daß sie eine von ihnen war, die jungen Nordamerikaner, die sich in diesem Herbst auf den Fundstätten einstellten, nachdem sie den Kontinent von den Küsten des Atlantik bis zu den Küsten des Pazifik durchquert hatten. Die Neuankömmlinge wurden auf vierzigtausend geschätzt, jeder von ihnen entschlossen, in Windeseile reich zu werden und triumphierend heimzukehren.
Sie nannten sich »forty-niner«, ein Name, der populär wurde und auch auf diejenigen angewandt, die früher gekommen waren oder später eintrafen. Im Osten verblieben ganze Dörfer ohne Männer und wurden nur noch von Frauen und Kindern und Sträflingen bewohnt.
»Ich sehe sehr wenige Frauen bei den Minen, aber einige haben doch genug Schneid, ihre Männer in dieses Hunde– leben zu begleiten. Die Kinder sterben an Epidemien oder durch Unfälle, die Frauen begraben sie, beweinen sie und arbeiten weiter von morgens bis abends, damit nicht alles, was ihnen lieb ist, in Barbarei versinkt. Sie schürzen ihre Röcke und steigen ins Wasser, um Gold zu suchen, aber einige haben entdeckt, daß fremde Wäsche waschen oder Kuchen backen und verkaufen einträglicher ist, so machen sie in einer Woche mehr Gewinn als ihre Männer, die sich in den Minen das Kreuz verbiegen, in einem Monat. Ein alleinstehender Mann zahlt gerne für ein von weiblichen Händen gebackenes Brot das Zehnfache seines Wertes, aber wenn ich als Elias Andieta das gleiche versuchte, würden sie mir nur ein paar Cents geben, Tao. Die Männer sind imstande, viele Meilen zu laufen, bloß um eine Frau von nahem zu sehen. Ein Mädchen, das sich vor einer Kneipe sonnt, wird in wenigen Minuten eine ganze Sammlung von Goldbeutelchen auf dem Schoß haben, Geschenke der Männer, die vor dem erinnerungsträchtigen Anblick eines Rockes in Verzückung geraten. - Und die Preise steigen, die Goldgräber werden immer ärmer und die Händler immer reicher. In einem Augenblick der Verzweiflung habe ich einen Dollar für ein Ei bezahlt und es roh mit einem Schuß Brandy, Salz und Pfeffer gegessen, wie Mama Fresia es mir beigebracht hat: ein unfehlbares Mittel gegen die Trostlosigkeit. Ich habe einen Jungen aus Georgia kennengelernt, einen armen Irren, aber wie mir erzählt wurde, ist er nicht immer so gewesen. Anfang des Jahres stieß er auf eine Goldader und schabte mit einem Löffel neuntausend Dollar von den Felsen, aber er verlor sie wieder an einem einzigen Abend beim Montespiel. Ach Tao, Du kannst Dir nicht vorstellen, wie sehr es mich danach verlangt, ein Bad zu nehmen, Tee zu kochen und mich mit Dir hinzusetzen und zu schwatzen! Ich würde mir so gern ein sauberes Kleid anziehen und mich mit den Ohrringen schmücken, die Miss Rose mir
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