Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
stürmischer Ungeduld auf die Post, sie war schließlich die einzige Verbindung zu ihren fernen Familien. Die Dampf– schiffe der Pacific Mail legten alle zwei Wochen mit Säcken voller Briefe in San Francisco an, und sobald sie am Horizont sichtbar wurden, liefen die Leute herbei und bauten sich in Schlangenreihe vor dem Postbüro auf. Die Angestellten brauchten zehn bis zwölf Stunden, um den Inhalt der Säcke zu sortieren, aber niemandem machte es etwas aus, den ganzen Tag zu warten. Von hier bis zu den Minen brauchten die Briefe viele weitere Wochen. Eliza bot ihre Dienste auf englisch und auf spanisch an, las die Briefe vor und beantwortete sie.
    Wenn dem Kunden nur zwei lakonische Sätze einfielen des Inhalts, daß er noch am Leben sei, und Grüße an die Seinen, dann fragte sie ihn geduldig aus und hängte eine blumige Geschichte dran, bis sie mindestens eine Seite voll hatte. Sie nahm zwei Dollar pro Brief unabhängig von der Länge, aber wenn sie dann gefühlvolle Sätze einflocht, die dem Mann nie im Leben eingefallen wären, bekam sie gewöhnlich noch ein gutes Trinkgeld.
    Manche brachten ihr Briefe, damit sie sie ihnen vorlas, und auch die schmückte sie ein wenig aus, so erhielt der arme Teufel doch den Trost einiger liebevoller Worte.
    Die Frauen, die des Wartens am anderen Ende des Kon– tinents müde waren, schrieben gewöhnlich nur Klagen, Vorwürfe oder eine Serie christlicher Ermahnungen, ohne zu bedenken, daß ihre Männer krank waren vor Einsam– keit. An einem düsteren Montag suchte der Sheriff sie auf mit dem Ansuchen, die letzten Worte eines zum Tode Verurteilten zu schreiben, eines jungen Burschen aus Wisconsin, der an diesem Morgen angeklagt worden war, ein Pferd gestohlen zu haben. Unbewegt trotz seiner knapp neunzehn Jahre diktierte er Eliza:
    »Liebe Mama, ich hoffe, es geht Dir gut, wenn Du diese Nachricht bekommst, und sag Bob und James, daß ich heute gehängt werde. Grüße, Theodore.« Eliza versuchte, die Botschaft ein wenig sanfter zu verpacken, um der unglücklichen Mutter einen Schlaganfall zu ersparen, aber der Sheriff sagte, für langes Gesäusel sei keine Zeit.
    Minuten später führten mehrere entschlossene Mitmen– schen den Schuldigen auf einen freien Platz mitten im Dorf, hoben ihn mit einem Strick um den Hals auf ein Pferd, banden das andere Ende des Stricks um den Ast einer Eiche, dann gaben sie dem Pferd einen Schlag auf das Hinterteil, und Theodore hing, ohne weitere Zeremo– nie. Er war nicht der erste Gehängte, den Eliza sah.
    Diese Strafe wurde wenigstens rasch durchgezogen, aber wenn der Angeklagte von anderer Rasse war, wurde er vor der Hinrichtung gewöhnlich erst ausgepeitscht, und obwohl Eliza weit fortritt, verfolgten die Schreie des Verurteilten und das Gebrüll der Zuschauer sie noch wochenlang.
    Am Tag des Bärenkampfes wollte sie eben in die Kneipe gehen und fragen, ob sie dort ihr Schreibgeschäft einrich– ten könne, als ein ungewöhnlicher Aufzug sie ablenkte. Gerade als das Publikum die Arena verließ, kamen durch die einzige Straße des Dorfs einige von Maultieren gezogene Wagen herauf, denen ein indianischer Junge, eine Trommel schlagend, voranging. Es waren keine gewöhnlichen Fahrzeuge, das Segeltuch der Seitenwände war kunterbunt bemalt, von der Bedachung hingen Trod– deln, Pompons und chinesische Lampions, die Maultiere gingen geschmückt wie Zirkuspferde und begleitet von dem unerträglichen Gebimmel von Kupferglöckchen. Auf dem Bock des ersten Wagens saß ein massiges Weib mit gewaltigen Brüsten, in Männerkleidung und mit einer Seeräuberpfeife zwischen den Zähnen. Den zweiten Wa– gen lenkte ein riesiger Kerl in verschlissenen Wolfsfellen, Kopf rasiert, Ringe in den Ohrläppchen und bewaffnet, als wollte er in den Krieg ziehen. Jeder Wagen hatte noch einen zweiten im Schlepptau, in dem der Rest der Truppe saß, vier junge Frauen, aufgeputzt in grellem Samt und glitzerndem Brokat, die den verblüfft Gaffenden Kußhän– de zuwarfen. Aber das sprachlose Staunen dauerte nur einen Augenblick, sobald sie die Wagen erkannten, beleb– te eine Salve von Schreien und in die Luft abgefeuerten Schüssen den Abend.
    Bisher hatten die Täubchen der Saloons unangefochten geherrscht, aber die Lage änderte sich, als sich in den neuen Dörfern die ersten Familien niederließen und die Prediger die Gewissen mit der Androhung der ewigen Verdammnis aufrüttelten. Da es an Kirchen fehlte, hielten sie ihren Gottesdienst in eben den Saloons ab,

Weitere Kostenlose Bücher