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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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geschenkt hat, damit Du mich doch einmal als hübsche Frau siehst und nicht glaubst, ich bin ein Mannweib. Ich schreibe alles in mein Tagebuch, was mir begegnet, so werde ich Dir die Einzelheiten erzählen können, wenn wir uns Wiedersehen, denn wenigstens das weiß ich sicher, wir werden eines Tages wieder Zusammensein. Ich denke an Miss Rose, wie böse sie mit mir sein muß, aber ich kann ihr nicht schreiben, ehe ich Joaquín nicht gefunden habe, bis dahin darf niemand wissen, wo ich bin. Wenn Miss Rose wüßte, was für Dinge ich gesehen und gehört habe, würde sie tot umfallen. Dies ist das Land der Sünde, würde Mister Sommers sagen, hier gibt es weder Gesetz noch Moral, hier herrschen die Laster des Spiels, des Alkohols und der Bordelle, aber für mich ist dieses Land ein weißes Blatt, hier kann ich mein neues Leben schreiben, kann ich die werden, die ich sein möchte, niemand kennt mich außer dir, niemand kennt meine Vergangenheit, ich kann neu geboren werden. Hier gibt es nicht Herren und Diener, nur Menschen, die arbeiten. Ich habe ehemalige Sklaven gesehen, die genug Gold zusam– mengebracht haben, um Zeitungen, Schulen und Kirchen für die Menschen ihrer Rasse zu finanzieren, sie bekämpfen die Sklaverei von Kalifornien aus. Ich kannte einen, der hat seine Mutter freigekauft; die arme Frau kam krank und altersschwach hier an, aber jetzt verdient sie, was sie will, mit einer Garküche, hat sich einen Rancho gekauft und fährt sonntags ganz in Seide im Vierspänner zur Kirche. Weißt Du, daß viele schwarze Matrosen nicht nur des Goldes wegen von den Schiffen desertiert sind, sondern weil sie hier eine einzigartige Form der Freiheit vorfinden? Ich erinnere mich an die chinesischen Sklavinnen hinter vergitterten Fenstern, die Du mir in San Francisco gezeigt hast, ich kann sie nicht vergessen, sie tun mir in der Seele weh. Hier ist das Leben der Prostituierten auch grausam, manche begehen Selbstmord.
    Die Männer warten stundenlang, um die neue Lehrerin respektvoll zu begrüßen, aber die Mädchen in den Saloons behandeln sie schlecht. Weißt Du, wie sie sie nennen? Soiled doves, besudelte Täubchen. Und auch die Indianer begehen Selbstmord, Tao. Sie werden überall vertrieben, sind hungrig und verzweifelt. Keiner will sie anstellen, und dann werden sie Vagabunden geschimpft und zu Zwangsarbeiten gepreßt. Die Sheriffs bezahlen fünf Dollar für einen toten Indianer, sie bringen sie aus Sport um, und manchmal reißen sie ihnen die Kopfhaut ab. Es gibt Gringos, die diese Trophäen sammeln und zur Schau an ihre Montur hängen. Es wird Dich freuen, zu hören, daß viele Chinesen zu den Indianern gegangen sind, um mit ihnen zu leben. Sie ziehen weit fort zu den Wäldern im Norden, wo es noch eine Jagd gibt. Auf den Prärien sind nur sehr wenige Büffel übriggeblieben, wie man erzählt.«
    Eliza verließ den Bärenkampf ohne Geld und sehr hungrig, sie hatte seit dem Tag zuvor nichts gegessen und schwor sich, daß sie niemals wieder mit leerem Magen ihre Ersparnisse verwetten würde. Als sie vor einiger Zeit nichts mehr gehabt hatte, was man verkaufen könnte, hatte sie zwei Tage lang nicht gewußt, wie sie überleben sollte, bis sie loszog, eine Arbeit zu suchen, und entdeckte, sich sein Brot zu verdienen war leichter, als sie gedacht hatte, auf jeden Fall der Aufgabe vorzuziehen, einen anderen dazu zu bringen, die Rechnungen zu bezahlen. »Ohne einen Mann, der sie beschützt und unterhält, ist eine Frau verloren«, hatte Miss Rose ihr eingehämmert, aber sie entdeckte, daß dem nicht immer so war. In ihrer Rolle als Elias Andieta bekam sie Arbeiten aufgetragen, die sie auch in Frauenkleidern hätte übernehmen können. Sich als Arbeiter oder Cowboy zu verdingen war unmöglich, sie verstand nicht mit einem Werkzeug oder einem Lasso umzugehen, und ihre Kräfte reichten nicht aus, Stunden um Stunden Schaufeln voller Erde zu schwingen oder einen Jungstier zu bändigen, aber es gab andere Beschäf– tigungen, die ihr zugänglich waren. Sie griff zur Feder, wie sie es früher so oft getan hatte. Die Idee, Briefe zu schreiben, war ein guter Rat ihres Freundes, des Postrei– ters. Wenn sie es nicht in einer Kneipe tun konnte, breitete sie ihre Wolldecke mitten auf einem Platz aus, stellte Tinte und Papier darauf und bot mit Ausruferstimme ihre Dienste an. Viele Goldgräber konnten kaum fließend lesen oder ihren Namen schreiben, sie hatten in ihrem Leben nicht einen Brief zustande gebracht, aber alle warteten mit

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